Der Prophet des Teufels
»Parapsychologen« setzen sich mit ihm auseinander, Ärzte, Pädagogen, Literaten: Wer zur Welt gehört, beteiligt sich am Streit über die Welt Hanussens.
Sein Frauenverbrauch, seine Extravaganzen, seine Verschwendungssucht und sein Geiz, seine Orgien halten Berlin in Atem. Und um Berlin in dieser Zeit in Atem zu halten, muß man sich etwas ganz Besonderes ausdenken.
Hanussen tut das, jeden Tag, jede Stunde. Er gibt an, aber er läßt sich beim Angeben nicht ertappen. Er wird zu einem negativen Idol der Massen: Wer immer zu einer reichen, zu einer schönen, zu einer verwöhnten Frau vergeblich aufschaut, freut sich, daß Hanussen so kalt, so zynisch, so selbstverständlich mit dem schönen Geschlecht umgeht. Jedermann weiß, daß der Magier das Einkommen eines Generaldirektors mit den Manieren eines Roßkutschers vereint. Seine derben Witze, seine treffsicheren Pointen, seine ausgefallenen Streiche gehen durch die Stadt. Hanussen ist auf dem Marsch – auf dem Marsch in den Abgrund.
Am Abend nach dem vorhergesagten Bankbrand, von dem man nicht weiß, war er inszeniert oder nicht, an diesem Abend ist die Baronin Prawitz endgültig entschlossen, mit Hanussen zu brechen.
»Du warst schlecht heute«, sagt der Magier zu ihr. Er hat seine Frackjacke achtlos über einen Stuhl geworfen. Geflickte Hosenträger spannen sich über dem schneeweißen, eleganten Hemd. »Du bist jeden Abend schlecht. Du paßt nicht für die Branche. Du bist eine zimperliche Gans.«
»Ich verbitte mir diese Ausdrücke!«
»Na schön, dann verbitte sie dir. Aber ich benutze sie weiter. Du kannst gehen. Ja, geh doch! Schau mich nicht so blöd an! Sterbende Weihnachtsgans mit lyrischer Seele. Der Blick der gequälten Kreatur. Warum läßt du dich denn quälen? Geh doch zurück zu deinem Mann! Du weißt doch, daß ich dich betrüge. Gestern war es eine Rothaarige, und heute ist es vielleicht eine Schwarze oder vielleicht zur Abwechslung eine Blonde. Was weiß ich? Jedenfalls keine so Langweilige wie du. So, und jetzt weine schön!«
»Eines Tages werde ich dich ermorden«, entgegnet die Baronin.
»Nicht schlecht für den Anfang. Wo spielt das Schmierenstück?«
»Warum muß das alles so sein?« sagt sie. »Ich habe mich damit abgefunden, daß du mich betrügst. Ich stelle mich jeden Abend halb nackt auf die Bühne. Ich habe mit der Gesellschaft gebrochen, der ich angehörte. Aber warum mußt du mich so quälen? Du bist gar nicht so! Du kannst ganz anders sein.«
»Ich bin, wie ich bin«, sagt Hanussen. »Du brauchst nicht auf mich zu warten. Ich komme heute nicht.«
Er zieht sich um. Er pfeift vor sich hin. Er pfeift falsch. Er ist völlig unmusikalisch. Er parfümiert sich mit einem völlig unangebrachten Parfüm. Es ist zu süß für einen Mann. Hanussen versteht von diesen Dingen nichts. Aber er versteht viel von der Kunst, Geld scheffelweise zu verdienen, und scheffelweise auszugeben.
Die Baronin wischt sich die Schminke aus dem Gesicht. Ich muß gehen, denkt sie, es ist fürchterlich. Ich habe mein Leben zerbrochen. Damals, als ich nach Berlin fuhr. Wie unter dem Bann einer Prophezeiung, an deren Erfüllung ich selbst schuld war. Ich habe die Begegnung mit Hanussen gesucht, nur um zu beweisen, daß ich seinen Bann nicht fürchte. Ich bin ihm erlegen. Nach drei Tagen. Für ihn war ich nicht die reiche, verwöhnte Frau des Barons Prawitz. Für ihn war ich wie jede andere, wie die Keksverkäuferin, wie das Nummerngirl oder das Mädchen von der nächsten Ecke.
Die Baronin kämmt ihre langen, brünetten Haare nach hinten, cremt sich ein.
Es ist wie verhext. Die Prophezeiung, die ich herausforderte, scheint sich zu erfüllen. Ich hasse ihn, aber ich komme nicht von ihm los. Ich kann nicht zurück und habe keine Zukunft. Mein Gott, noch nie wurde eine Sünde schwerer bestraft als die meine …
Im grauen Anzug bummelt Hanussen langsam die Straße entlang. Er löst eine Kinokarte, wirft sie aber gleich wieder weg. Fünf Minuten später betritt er ein Nachtlokal. Die Musik spielt bei seinem Eintritt einen Tusch.
Er nimmt an einem leeren Tisch der Tanzfläche Platz. Er mustert die anderen Gäste im Lokal, herausfordernd und hemmungslos. Am Nebentisch sitzt ein Herr mit zwei Mädchen. Sie mögen achtzehn Jahre alt sein. Es sind Zwillinge. Der Hellseher winkt dem Geschäftsführer.
»Sagen Sie dem Herrn am Nebentisch, daß ich ihn sprechen möchte«, sagt er.
Der Geschäftsführer setzt sich zögernd in Marsch. Am Nebentisch entsteht
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