Der Protektor von Calderon
Berührung mit der Erde und ihren Elementaren abgeschnitten sein.
Der Rumpf des Schiffes und der Boden unter den Ringen waren schmierig, und Tavi war nicht gerade traurig darüber, dass er nichts Genaueres erkennen konnte. Ein schwacher Geruch lag in der Luft, unter der Muffigkeit des Schiffes selbst, ein stechender Gestank nach menschlichen Ausscheidungen und - Blut. Das konnte man auch ziemlich deutlich erkennen, es hatte dunkle Flecken auf den Handschellen hinterlassen.
»Demos ist ein Sklavenhändler«, sagte Kitai leise.
Tavi trat einen Schritt zurück, ehe er durchatmete. »Das ist in diesem Teil der Welt nicht ungewöhnlich. Die meisten Kapitäne befördern hin und wieder Sklaven.«
Kitai berührte eine der Ketten und strich mit den Fingern über die Glieder. »Und du findest das nicht schlimm?«
»Mir behagt es nicht«, sagte Tavi, »aber Männer wie Demos entscheiden selbst, welche Arbeit sie annehmen und welche nicht.«
Kitai blickte Tavi böse an. »Das meine ich nicht, Aleraner. Begreifst du nicht, wie ungerecht das ist« - sie stieß die Kette heftig gegen den Rumpf - »und nicht nur einfach ungewöhnlich?«
Tavi blinzelte und starrte sie einen Moment lang an. »Kitai …«
Sie wandte sich wieder Tavi zu und kniff die Augen zusammen. »Du hast mir gesagt, Nasaug hätte die Menschen deines Volkes als Ungeheuer bezeichnet. Und mein Volk würde das auch tun, wenn es wüsste, dass ihr euresgleichen so behandelt.«
»Das tut doch nicht jeder«, wandte Tavi ein.
»Aber jeder lässt es zu«, meinte sie unnachgiebig. Sie trat vor, bis er ihr Gesicht in der Dunkelheit sehen konnte. Es glimmte wie grüner Achat. »Trifft das auf dich ebenfalls zu, Aleraner?«
Er sah ihr in die Augen und spürte ihren Zorn wie die Hitze eines Feuers auf der Haut. Zuerst wollte er etwas sagen, unterließ es jedoch. Sein Instinkt warnte ihn, dass er ihre Frage nicht mit Worten beantworten konnte.
Stattdessen schloss er kurz die Augen und legte die Hand auf den Schwertgriff. Er spürte die Kraft des Stahls, seine in ihm ruhende Stärke, die in einer Legionsschmiede ihre Gestalt erhalten hatte. Tavi lenkte seine Sinne in das Schwert, atmete gleichmäßig, ordnete seine Gedanken und brachte die Kraft des Schwertes zu ihnen, formte die Klinge, umriss sie, stärkte ihre Schneide.
Dann öffnete er die Augen, trat vor, zog das Schwert und schwang die Waffe einmal hin und her.
Funken flogen, Metall knirschte, und die Ketten fielen scheppernd zu Boden. Die Enden der durchtrennten Glieder glühten vor Hitze.
Tavi schob die Waffe mit geübter Bewegung in die Scheide und wandte sich Kitai zu.
Das Marat-Mädchen hob das Kinn. Ihre Augen leuchteten. Sie nickte ihm zu, fast, als würde sie sich vor ihm verneigen.
Tavi machte die gleiche Geste und blickte sie unentwegt an.
»Das«, sagte sie, »ist mein Aleraner.«
Tavi sah auf. Die beiden Hexer hatten sich umgedreht und starrten ihn an.
»Wenn Kapitän Demos fragt«, sagte Tavi zu ihnen, »soll er sich deswegen an mich wenden.«
Die Hexer blickten sich an und nickten Tavi zu.
Plötzlich wallte von oben eine Woge von Gefühlen herunter, eine Mischung aus Panik, Furcht und Wut. Sie schlug über Tavi zusammen, und unter ihrer Wucht begann er zu schwanken. Wie von selbst griff seine Hand nach Kitais Schulter, wo er Halt suchte, obwohl auch sie zitterte und sich an ihn drängte.
Die Hexer stöhnten leise auf und duckten sich tiefer ins Wasser. Sie murmelten weiter, doch lauter nun, schneller und beinahe verzweifelt.
Von oben hörte man einen Schmerzensschrei.
Tavi drehte sich um und stürmte zur Treppe. Kitai folgte ihm dichtauf. Er zog die Klinge nicht - denn es würde eine schöne Schweinerei geben, wenn er durch das Schwanken des Schiffes stolperte und sich mit dem eigenen Schwert aufspießte. Oben auf Deck herrschte hektische Betriebsamkeit, Männer rannten hin und her, die Schiffsoffiziere brüllten Befehle. Alle hielten sich geduckt, eilten von Deckung zu Deckung und schauten ängstlich nach Backbord hinüber.
»Vorsicht!«, rief Araris. Er drückte sich mit den Schultern von der Steuerbordseite her an den Hauptmast. »Die Piraten haben einen Ritter Flora, und zwar einen krähenverflucht guten.«
Tavi nickte und duckte sich, wobei er das kräftige Holz der Kajüte zwischen sich und die Mactis brachte. Er blickte sich rasch auf Deck um und fragte Araris: »Wo ist sie?«
Wieder war ein Schrei zu vernehmen, diesmal aus der Takelage, und ein Mann stürzte wild mit den
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