Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
ihrer Aufgabe ablenken zu lassen.
    Beinahe wäre es ihr entgangen, doch Bächleins Warnung ließ sie scharf ausweichen, und so vermied sie es, mit einem großen, dunklen Etwas zusammenzustoßen. Sie folgte den Umrissen des Gegenstandes und drängte weiter voran. Die Oberfläche war eigenartig, kieselartig und mit Muscheln und wirrem, haarfeinem Seegras überwuchert. Sie trieben noch einige Sekunden lang
weiter, ehe es Isana dämmerte, dass sie sich auf Armeslänge von einem Leviathan entfernt befanden.
    Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, pochte sogar im Bauch und klopfte immer schneller. Dieses Wesen war riesig. Es dehnte sich so weit aus, dass man in beide Richtungen das Ende nicht absehen konnte. Sie tauchten an etwas vorbei, bei dem es sich um den Schwanz handeln mochte, ein rundes, langes Ding aus Fleisch und Haut, aus dem mittig knochige Platten ragten. Vor sich bemerkte sie einen Vorsprung, und dann waren sie an einer Flosse vorbei, die breiter aussah als die Schleiche, und deren Ende im trüben Wasser nicht zu erkennen war.
    Als Nächstes folgten mehrere Reihen, die wie Gräben aussahen, oder vielleicht wie besonders breite Furchen in einem Feld. Rippen. Es waren die Rippen des Ungeheuers. Durch das Wasser ging ein dumpfes Pochen und drängte rhythmisch gegen sie, und Isana begriff, dass sie sogar das Klopfen des riesigen Herzens spüren konnte.
    Nun kam wieder eine Flosse, dann eine weitere Fleischrolle, wohl der Hals des Leviathans. Das ganze Tier musste also ungefähr aussehen wie eine in die Länge gezogene Schildkröte ohne Panzer.
    Der Kopf kam in Sicht. Der Schädel war beinahe so groß wie die Steinscheune auf ihrem Wehrhof, ein Gebäude, in dem zweihundert Tiere Platz fanden, dazu die Werkzeuge des Hofes und die Vorräte. Auch er ähnelte dem einer Schildkröte, sogar das eigenartig zerklüftete Maul. Jedes Auge hatte die Größe einer kleinen Hütte; es waren glasige, schwarze Kugeln, die fast vollständig geschlossen waren.
    Aus dem Maul hingen Fetzen, bei denen Isana nur annehmen konnte, dass es sich um eine Art hellen Fleisches handelte. Walspeck vielleicht? Während Isana zuschaute, fiel ein Brocken von der Größe eines Ochsenkarrens mit großer Anmut aus dem Maul des Leviathans, und sofort stürzte sich eine Wolke kleinerer Fische darauf, um im nächsten Moment vor einem Dutzend Haie
auseinanderzustieben. Bächlein warnte Isana vor weiteren Haien, die außer Sichtweite in der Dunkelheit lauerten und alle auf die geschenkte Mahlzeit zuschossen. Isanas Herz klopfte noch lauter, und sie versuchte erneut verzweifelt, schneller voranzukommen und gleichzeitig den hungrigen Haien auszuweichen, weil die anderen ihrer Gruppe ja gewissermaßen wie Köder an der Leine hingen.
    Sie schaute sich um, als einer der Haie ihr zu nahe kam, und beobachtete, wie Tavi den Leviathan mit unverhohlener Neugier und Freude betrachtete. Er bemerkte ihren Blick und sah sie an. Daraufhin zeigte er auf den riesigen Leviathan und grinste noch breiter, so strahlend, dass sie selbst lächeln musste.
    Ehren dagegen hielt sich hinter Tavi, drückte die Stirn an die Leine und kniff die Augen fest zu. Isana musste dem jungen Kursor einen äußerst gesunden Menschenverstand bescheinigen.
    Tavi hatte allerdings in einer Hinsicht recht. Sicherlich war ihr Auftrag riskant, aber in Gefahr wären sie so oder so gewesen. Und wie viele Menschen in Alera konnten schon von sich sagen, ein so ehrfurchtgebietendes Wesen wie dieses mit eigenen Augen gesehen zu haben? Septimus hätte sich genauso gefreut …
    Was wichtig war, wie Isana erkannte. Es verriet etwas über ihn als Menschen. Sein Vater hatte ihm stets zur Vorsicht und zur Voraussicht geraten, dazu, alle Aufmerksamkeit auf die Aufgabe zu richten, das Reich zu regieren. In einem der Briefe an seinen Sohn, den Isana gelesen hatte, bezeichnete Gaius die Herrschaft als angewandte Wissenschaft des Überlebens. Überleben war für den Ersten Fürsten so gut wie untrennbar mit der Pflicht verbunden.
    Septimus hatte an diesem Punkt seinem Vater leise widersprochen, doch bis jetzt hatte Isana nie verstanden, worum es dabei eigentlich wirklich gegangen war.
    Überleben bedeutete nicht das Gleiche wie Leben.
    Septimus war an der Seite seiner Männer in die Schlacht gezogen, ungeachtet des unentschuldbaren Risikos für seine eigene
Person. Er war verkleidet durch das Reich gereist und hatte das Leben außerhalb von Alera Imperia erkundet. Auf einer dieser heimlichen Reisen hatte Isana ihn dann

Weitere Kostenlose Bücher