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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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»Aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt.«
    Er riss die Augen auf und lächelte jungenhaft. Und dann verschwand er durch das Loch im Schiff.
    Isana biss sich auf die Unterlippe und wartete. Ihre geschärften Sinne überfluteten sie mit neuer Klarheit und Tiefe, und deshalb fiel es etwas schwerer, was sonst eine Leichtigkeit für sie gewesen wäre: einfach ruhig neben dem Schiff zu bleiben. Die Bewegung der Wellen, die willkürlichen und gleichzeitig zielstrebigen Kreise der Haie und das Umherschwirren der kleineren Fische, die sich an dem satt fraßen, was den Leviathanen aus dem Maul fiel, verschmolz zu einer beinahe hypnotischen Schönheit, zu einem weitläufigen Tanz, der allein für sie aufgeführt wurde. Das Meer breitete sich um sie herum aus, grenzenlos und mächtig,
gnadenlos und voller Reichtümer, und sie nahm das alles derartig intensiv wahr, dass sie einige Sekunden lang jegliches Gefühl für die eigenen Glieder, Nerven und Muskeln im endlosen Wogen des lebenden Meeres verlor.
    Angst und Schmerz trafen sie aus heiterem Himmel wie ein Schlag auf die Wange.
    Sie war von der Mactis abgetrieben und eilte nun zurück zu ihrem Platz. Es folgte ein weiterer Stich, Verwirrung und Schmerz irgendwo im Schiff - bei den großen Elementaren, sie hätte das von hier aus nicht mit dieser Deutlichkeit spüren dürfen. Sie konnte nicht einmal sehen, wer verwundet worden war.
    Panik breitete sich in ihr aus. War ihren Freunden etwas zugestoßen? Der Bund zu den Geliebten, besonders zur Familie, verstärkte für gewöhnlich die empathischen Sinne eines Wasserwirkers, und wenn Tavi oder Araris verwundet worden wäre, könnte das die Ursache sein …
    Urplötzlich ging ein Schaudern durch das Schiff. Es war keine heftige Bewegung, eher ein leichtes Schaukeln gegen die Wellen, als habe das Wasserwirken um den Rumpf der Mactis aufgehört.
    Die nächste Welle, die gegen den Bug des Schiffes schlug, toste wie ein kleiner Sturm, und eine Wolke salziger Gischt bildete sich in der Luft.
    Isana spürte eine eigenartige Woge von Gefühlen aus der Mactis. Unglauben machte Panik und Schrecken Platz, und alle Facetten von Emotionen wurden blendend eindringlich. Sie stachen nach ihr wie scharfe Klingen, und es fiel ihr immer schwerer, sich im Wasser zu bewegen. Auf dem Schiff begannen Männer zu schreien. Stiefel trampelten über das Deck. Manche Stimmen waren kaum zwanzig Fuß entfernt, oben über ihr auf dem Schiff.
    Sie musste kämpfen, um ihre gequälten Sinne zu zügeln, um sie von dem Geschehen abzuziehen, und während sie das tat, spürte sie, wie sie langsamer wurde und plötzlich im Wasser nicht mehr so schnell vorankam. Sie biss die Zähne zusammen, setzte sich abermals den schmerzlichen Emotionen aus und hielt sich in der
Nähe des Schiffs, wobei ihr plötzlich die Zähne vor Angst zu klappern begannen.
    Wieder verging eine Minute, und niemand erschien am Loch im Rumpf. Sie hörte weitere laute Schreie aus dem Schiffsinneren. Das Klirren von Stahlklingen. Dann gab es ein Zischen und das langgezogene Ächzen von gequältem Holz aus der Richtung des Bugs, wo die Hexer für gewöhnlich untergebracht waren. Es wiederholte sich zweimal, und dann trat Araris mit nacktem Fuß ein dreieckiges Stück aus dem Rumpf, dessen Kanten so sauber aussahen wie mit einer feinen Säge ausgeschnitten. Die schweren Planken fielen ins Wasser. Der Singulare blickte durch das Loch, entdeckte Isana und winkte sie zu sich.
    Isana schoss durch die Wellen. Tavi erschien an der neuen Öffnung und warf sich plump ins Meer, als hätte man ihn hindurchgestoßen. Isana hastete hinüber und drückte ihm eine der Leinen in die Hand, dann jagte sie dem Schiff hinterher. Ehren sprang, Füße voraus, ins Wasser, dann folgte Kitai, die mit nach vorn ausgestreckten Armen anmutig in die See eintauchte.
    Isana sammelte alle ein und vergewisserte sich, dass jeder von ihnen seine Leine festhielt. Es wurde immer schwieriger, sich zu konzentrieren, und plötzlich erkannte Isana den Grund.
    Die Leviathane waren erwacht.
    Das Wasser des Meeres hatte in ungeheuerlichem Zorn zu brodeln begonnen.
    Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit.
    Isana schob sich so nah, wie sie es wagte, an das neue Loch heran. Heimlichtuerei hatte nun keinen Sinn mehr, und so rief sie: »Araris! Araris, schnell!«
    Im Inneren des Schiffes klirrten Klingen. Ein Mann stieß einen Schmerzensschrei aus.
    »Araris!«, rief Isana.
    »Sollen es die Krähen holen!«, fauchte Tavi. »Ich sollte als Letzter von Bord

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