Der Protektor von Calderon
Leben sicherlich nicht geschont hätte, und doch nahmen sie dieses Schauspiel wahr wie einen Albtraum. Niemand wünschte Seeleuten einen Tod, wie ihn die Männer der Mactis erleiden mussten.
Isana schüttelte den Kopf und bemühte sich, ihre Sinne vor den Gefühlen der anderen zu versperren. Es war einfach zu viel, und ihr brummte bereits der Schädel.
»Also gut«, knurrte eine Stimme, die keinerlei Widerspruch duldete. Ihr Sohn, dachte sie dumpf. »Die Vorführung ist beendet. Ehren, zur Kajütentür. Kitai.«
Isana sah auf, als Kitai, die noch immer kein Hemd trug, sie
sanft aufhob wie ein Kind. Das Marat-Mädchen lächelte Isana aufmunternd an, während Tavi Araris auf die Arme nahm.
»Gut gemacht«, murmelte Kitai. »Wir sind sicher wieder an Bord. Jetzt musst du dich ausruhen.«
Isana wollte protestieren. Sie hatte die Wunde zwar geschlossen, aber trotzdem brauchte Araris weitere Pflege - und sie wusste nicht, ob jemand der anderen verletzt war. Deshalb wollte sie sagen, Kitai sollte sie absetzen und eine Heilwanne holen.
Doch irgendwo zwischen Luftholen und Sprechen verlor sie den Willen dazu, und sie hieß die Aussicht auf Stille und Frieden in ihrer Erschöpfung willkommen.
27
»Verfluchte Krähen«, knurrte Antillar Maximus. »Der Hauptmann macht es sich gerade in seiner bequemen Zelle in Elinarcus gemütlich, und wir werden hier bis auf die Haut durchnässt.«
Valiar Marcus stieg von dem Block, von dem aus er über die Palisade der Ersten Aleranischen hinweg zur feindlichen Stellung an der Furt des Aepon schauen konnte. Die Canim bedienten sich der Fähigkeiten, die ihnen die Freien Aleranischen Legionen boten. Die Erdwirker mochten zwar mit den Pionieren der Legion nicht mithalten können, und die Wälle, die sie errichtet hatten, bestanden nicht aus mehreren Schichten Stein, die eine Belagerung überdauerten, aber immerhin hatten sie auf der anderen Seite der flachen Furt eine ansehnliche Verteidigungsanlage aus dem Boden gestampft.
»Ich wette, bei ihm gibt es gerade warmen Kuchen zum Frühstück«,
fuhr Maximus fort. Der junge Tribun betrachtete missgelaunt den unablässigen Regen. »Oder einen hübschen Becher Tee. Und dann hat er sich bestimmt ein Buch von Cyril geliehen. Cyril besitzt viele Bücher.«
Antillus Crassus stieg von seinem eigenen Block und starrte Max böse an. »Unter Hauptmann Scipio hast du nicht halb so viel gemeckert.«
»Doch, doch, hat er«, murmelte Marcus. »Nur nicht vor den anderen. Mich ausgenommen.«
Crassus sah Maximus in die Augen. »Tribun, ich befehle dir hiermit, mit dem Jammern aufzuhören.«
»Das hat bei Scipio schon nichts genutzt«, meinte Marcus.
»Es ist ein heiliges Recht«, sagte Max. Er zog sich kurz an der Palisade hoch und ließ sich dann wieder auf den Boden fallen. »Sieht so aus, als würden sie sich auf die Wachablösung vorbereiten.«
»Gib den Pionieren das Signal«, sagte Crassus.
Marcus drehte sich um und gab einem Marat-Reiter - oder eher einer Reiterin - ein Handzeichen. Sie nickte, drehte sich um und galoppierte auf den niedrigen Hügel hinter ihnen, wo sie die Geste mit breiteren Bewegungen wiederholte.
»Das verschafft uns nicht viel Zeit, sie während der Wachablösung anzugreifen«, sagte Max.
»Ist ja auch nicht notwendig«, erwiderte Marcus. »Sie erwarten einen Schießwettkampf. Einige Sekunden machen da einen entscheidenden Unterschied aus.« Er drehte sich um und nickte den Rottenführern der Kohorte Prima zu. Die salutierten, und dann wurden Befehle leise die Reihen entlang weitergegeben. Die Veteranen zogen beinahe unhörbar die Klingen.
Crassus drehte sich um und winkte einen Boten zu sich. Der junge Mann eilte herbei. »Teil dem Ehrenwerten Senator bitte mit, dass wir gleich angreifen werden.«
Der Bote salutierte und lief davon.
Marcus trat erneut auf den Block und beobachtete den Fluss.
Zuerst bemerkte er keinen Unterschied. Der Wechsel ging sehr behutsam vonstatten. Allerdings hörte er eine Veränderung in dem unaufhörlichen Murmeln des Wassers, das zwischen den Ufern floss. Der Pegel stieg, und Marcus beugte sich vor und schaute genau zu.
An der Furt war das Wasser unter gewöhnlichen Umständen drei Fuß tief; ein wenig tiefer, wenn es, wie in der vergangenen Woche, stark geregnet hatte. Das war für die Fußsoldaten kein unüberwindliches Hindernis, aber ein Mann wurde doch schnell von den Füßen gerissen, wenn er nicht aufpasste. Die Furt vor den feindlichen Verteidigungsanlagen, wo die Balestra und
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