Der Protektor von Calderon
formen und den Tag zu verschönern, und weniger darin, sich einen Vorteil zu verschaffen, wenn die Zukunft in die Gegenwart überging. Kitai, so wusste er, hielt viel von Tavis Waffenübungen mit Araris, doch vermutlich nur, weil sie ihm gern zuschaute, wenn er schwitzend und mit nacktem Oberkörper kämpfte. Die Sorge, gegen wen er in der Zukunft kämpfen würde, bedrückte sie dabei kaum.
Er spürte eine Veränderung bei ihr, als ihre Neugier kurz geweckt wurde. Als er über die Schulter sah, entdeckte er Ehren.
»Hallo«, sagte Tavi leise.
»Hallo«, erwiderte Ehren. Der kleine Kursor stellte sich zu Tavi und starrte hinaus aufs Meer. »Ich habe mit Demos gesprochen. Morgen erreichen wir den Gallus. Danach dauert es noch eine Woche, bis wir in der Hauptstadt sind. Vielleicht länger, wenn er keinen anständigen Schlepper findet.«
Tavi nickte. »Das ist gut. Ich schätze, dann sind wir genau zu Neumond da.«
»Das wäre gut, wenn man herumschleichen und Gefangene befreien will«, meinte Ehren. Die Schultern des früheren Schreiberlings wirkten angespannt. Er verschränkte die Arme und lehnte sich mit der Hüfte an die Reling. »Ich wusste, dass sie eine begabte Heilerin ist, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie über derartige Kräfte verfügt. Das hat mich überrascht.«
»Ich denke, es hat sie selbst überrascht«, erwiderte Tavi. »Oder auch nicht. Vor dem Zweiten Calderon hat sie zu Hause einen Bach zu einer Flutwelle aufbrausen lassen. Dazu ist auch nicht jeder Wasserwirker in der Lage.«
Ehren nickte. »Wie geht es ihr?«
»Araris hat in einem Lagerraum eine Hängematte für sie aufgehängt. Sie sagt, dort sei es ruhiger. Vorhin war sie eine Weile auf Deck. Ich würde sagen, sie bekommt es immer besser in den Griff.«
»Das ist gut«, sagte Ehren. Stirnrunzelnd schaute er hinaus aufs Meer, und es stellte sich ein verlegenes Schweigen ein.
»Immer nur raus damit«, sagte Tavi leise.
»Womit?«, fragte Ehren.
»Was auch immer dir auf der Seele brennt.«
Ehren zog einen Mundwinkel hoch und nickte, während er weiter hinaus aufs Meer starrte. »Als wir zur Mactis hinübergeschwommen sind, hast du etwas zur Wehrhöferin gesagt.«
Tavi verzog das Gesicht. »Ich habe gehofft, in der Aufregung würde es dir entgehen.«
»Ich habe erwogen, es einfach nicht zu beachten«, meinte Ehren. »Aber … in letzter Zeit habe ich das Gefühl, ich müsste alle anlügen. Das gefällt mir nicht. Und besonders dich möchte ich nicht belügen.«
Tavi lächelte und nickte. »Danke.«
»Gerne doch«, sagte Ehren. »Also: Du hast zu Isana gesagt, sie sei die Erste Fürstin von Alera. Und du hast damit gemeint …«
»Genau das, was ich gesagt habe«, unterbrach ihn Tavi.
Ehren runzelte die Stirn. Dann blinzelte er und starrte seinen Freund an. »Du meinst, sie ist in Wirklichkeit die Fürstin Caria? In Tarnung?«
Tavi kniff die Augen zusammen. »Was? Nein! Oh, bei den verdammten Krähen, nein.«
»Dann verstehe ich es nicht. Die Erste Fürstin ist die Gemahlin des Ersten Fürsten.«
»Die meisten Ersten Fürsten wären inzwischen längst zurückgetreten und hätten die Krone an ihren Erben weitergereicht«, sagte Tavi. »Oder würden ihm vielleicht noch als Berater zur Seite stehen.«
Ehren runzelte die Stirn. Dann zog er beide Augenbrauen hoch und flüsterte: »Der Princeps? Gaius Septimus?«
Tavi nickte stumm.
»Aber er hat nie geheiratet!«
»Doch«, sagte Tavi. »Und zwar dem Gesetz entsprechend. Es gibt Beweise dafür.«
Ehren pfiff. »Wenn er noch leben würde …« Er schüttelte den Kopf. »Na ja, dann wäre alles anders, oder?« Ehren sah Tavi kurz an. »Aber das ist noch nicht alles.«
Tavi holte tief Luft. »Er hat einen Erben hinterlassen. Aus der Ehe mit ihr, Ehren. Einen Sohn.«
Der Kursor zog eine Augenbraue hoch. »Einen Erben der Krone? Tavi …« Dann gefror seine Miene. »Tavi«, sagte er leise und riss die Augen auf.
Tavi rang sich mit Mühe ein Lächeln ab und zuckte mit den Schultern. »Mir ist das auch nicht sonderlich angenehm.«
Ehren blickte sich verstohlen um. »Hm. Wie viele Menschen wissen darüber Bescheid?«
»Du. Cyril. Araris. Meine Mutter.«
»Und ich«, sagte Kitai von oben, ohne die Augen zu öffnen.
Tavi sah stirnrunzelnd zu ihr hinauf. »Ich habe es dir nie erzählt.«
Sie gähnte. »Aleraner, bitte. Als wärest du so schwierig zu durchschauen. Ich habe Ohren, und ich habe einen Kopf. Wenn
ich immer warten würde, bis du mir wichtige Sachen von dir aus
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