Der Protektor von Calderon
sich die Luft um die Waffe herumbewegte, als wäre es seine eigene Hand. Auf dieses Bewusstsein richtete er seine ganze Aufmerksamkeit, langte nach dem zeitlosen Geist des Schwertes und ließ seinen Willen und seine Kraft hineinfließen, um sie zu schärfen und zu stärken.
Dann stieß er einen Schrei aus und schlug auf das Fallgatter ein. Er war sicher, die elementarunterstützte Klinge würde ihnen mit wenigen Hieben die Freiheit verschaffen.
Ein Wirbelsturm von Funken erhob sich, als die Klinge das Fallgatter berührte, Scharlachrot und Blau und Violett vermischten sich, und Tavi spürte die Wucht des Aufpralls durch das Schwert bis in den Arm. Es tat weh, als habe er mit der bloßen Hand gegen eine Ziegelmauer geschlagen, und er stöhnte vor Schmerz.
Die Gitterstangen des Fallgatters waren nicht durchtrennt. Eine wies eine kleine Kerbe auf, doch darüber hinaus hätte Tavi auch mit einer Weidengerte auf den elementargestärkten Stahl eingeschlagen haben können.
»Sie haben ihn verbessert«, zischte Tavi und umklammerte das Handgelenk seines Schwertarms mit der Linken. »Sie haben das Fallgatter verstärkt. Ich kann den Stahl nicht durchtrennen!«
»Ich habe hier zu tun«, erwiderte Araris scharf. »Unternimm was.«
Tavi nickte und schob das Schwert in die Scheide. Der Stein umschloss die Stäbe des neuen Tores, nachdem es einmal heruntergelassen
war, mit Elementarkräften so fest, dass man das Fallgatter nicht wieder anheben konnte. Stahl und Stein waren buchstäblich miteinander verschmolzen, und das Tor konnte erst wieder bewegt werden, wenn die Elementare des Gebäudes dazu überredet worden waren. Zwar konnte man das Fallgatter nicht hochschieben, was jedoch nicht bedeutete, dass man es nicht trotzdem bewegen konnte.
Tavi ergriff das Fallgatter mit beiden Händen, stemmte die Füße in den Boden und griff in den Stein darunter. Gleichmäßig zog er und spürte, wie die Kraft des Steins durch seine Beine, Hüften, Brust bis in Schultern und Arme vordrang. Er sammelte davon so viel er konnte, dann biss er die Zähne zusammen, zerrte an dem Stahlgitter und versuchte, es durch brutale Gewalt aus seiner Verankerung zu reißen.
Der Stahl war so gewirkt, dass er elementarverstärkten Klingen widerstehen konnte, und doch konnte man ihn biegen, wenn man seine Kräfte auf andere Weise ansetzte. Das Gitter gab ein wenig nach und vibrierte, als Tavi zog. Er verdrehte es leicht, aber nicht mehr als einen Zoll weit, dann wurde die Anstrengung zu groß. Er keuchte heftig, und der biegsame Stahl kehrte nahezu vollständig in seine ursprüngliche Form zurück. Die Veränderung war kaum wahrzunehmen.
Ein riesiger Fellarm schob Tavi sanft zur Seite, und Varg trat vor das Gatter. Der Cane kniff die Augen zusammen, breitete die langen Arme aus und packte das Gitter an einer Ecke oben und an der entgegengesetzten unten. Dann stemmte er die Füße in den Boden und zog.
Eine Sekunde lang geschah nichts. Muskeln traten hervor, zeichneten sich unter dem dichten Fell deutlich ab und zitterten vor Anstrengung. Dann begann Varg zu brüllen, und seine mächtigen Schultern zuckten.
Der geschundene Stein kreischte, und dann zersprang die elementargewirkte Mauer. Steinsplitter flogen in alle Richtungen, als der Cane das Fallgatter einfach aus dem Rahmen riss.
Varg grunzte und drehte das Gitter, um es durch die Tür zu schieben, dann schleuderte er es ohne Vorwarnung auf die Wächter.
Der Cane hatte das Gitter nicht mit besonderer Wucht geworfen, aber der Stahl wog mehrere hundert Pfund, und die trafen die Wächter, die keine Rüstung trugen, wie eine riesige Fliegenpatsche. Sie wurden von dem Gewicht zu Boden gedrückt.
Araris betrachtete ungläubig das Fallgatter, dann den Cane.
»Los«, schrie Tavi. »Ehe sie sich befreit haben. Wir hauen ab.«
Die Sicherheitsmaßnahmen des Grauen Turms sollten Ausbrüche verhindern, doch die dahinterstehende Logik ging davon aus, dass jeder Gefangene versuchen würde, durch den einzigen Ausgang, die Vordertür, zu entkommen. Angesichts der schwer vergitterten Fenster schien das tatsächlich der einzige Ausweg zu sein. Die schweren Fallgatter auf jedem Stockwerk trennten Treppe und Zellengänge, während weitere schwere Gitter den einzigen Ausgang unten versperrten.
Und deshalb rannte Tavi nun nicht nach unten, sondern die Stufen hinauf in Richtung Dach.
Und dabei hoffte er inbrünstig, dass Kitai und Isana bei ihrem Teil des Fluchtplans nicht so viele Probleme gehabt hatten wie sie
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