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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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selbst, damit dieser Abend nicht ein frühzeitiges, schmerzliches und überaus blutiges Ende finden würde.

35
    Kitai riss den Kopf herum, als die Alarmglocken des Grauen Turms schrillten. Sie ging zum Rand des Daches, spähte hinüber zum Turm und schnaubte. »Ich habe es ihm doch gesagt. Du warst dabei.«
    Isana eilte an ihre Seite. Die jüngere Frau beobachtete den Grauen Turm unablässig und schüttelte den Kopf. »Wir müssen uns beeilen.«
    »Was ist passiert?«, fragte Isana.
    Kitai nahm ihren Rucksack, setzte ihn auf und lief zur anderen Seite des Gebäudes. »Jemand schlägt eine Glocke.«
    Isana verkniff sich eine scharfe Erwiderung und eilte Kitai hinterher. »Geht es vielleicht ein wenig genauer?«
    »Sie sind erst vor wenigen Augenblicken in den Turm eingedrungen, und jetzt wird Alarm geschlagen. Die Sicherheitsmaßnahmen greifen, und die Wächter sind alarmiert. Der einzige Ausweg ist das Dach, und sie müssen sich beeilen, wenn sie die Flucht schaffen wollen - und deshalb müssen wir uns ebenfalls beeilen.« Sie hob eine Hand und legte sie Isana sanft auf die Brust. »Warte hier«, sagte die Marat. Dann machte sie ein paar schnelle Schritte und stürzte sich vom Dach. Sie flog anmutig durch die Luft, gute zwanzig Fuß weit, und landete auf dem Aquädukt, das diesen Teil der Stadt nahe dem Grauen Turm durchquerte.
    Kitai wandte sich um, als würde sie solche Sprünge jeden Tag machen, und holte eines der aufgerollten Seile aus dem Futteral an ihrem Gürtel. Ein Ende warf sie über den Abgrund Isana zu, die es auffing. Sie blinzelte zu Isana hinauf. »Was soll ich damit machen?«
    »Schling einen Fuß durch die Schlaufe wie beim Steigbügel
eines Pferdes«, erklärte Kitai. »Halt es mit beiden Händen fest. Dann springst du einfach vom Gebäude herunter.«
    Isana blinzelte. Sie blickte über den Dachrand. Das Gebäude hatte sieben Stockwerke, und ein Sturz auf den Boden würde auch eine jüngere und kräftigere Frau als sie töten. »Hm«, sagte sie. »Und dann?«
    Kitai stemmte ungeduldig eine Hand in die Hüfte. »Anschließend ziehe ich dich hoch, und wir helfen meinem Chala .«
    Isana öffnete den Mund. Kitai war nicht besonders groß. Sicherlich war sie stark, aber es handelte sich dabei eher um die Kraft, die man von einer Tänzerin oder einer Läuferin erwartete. Die Marat waren in körperlicher Hinsicht ein sehr wohlgestaltetes Volk, trotzdem überragte Isana Kitai um mehrere Zoll und war entsprechend schwerer. Konnte das Mädchen ihr Gewicht überhaupt halten?
    Die Alarmglocken wurden weiterhin geschlagen.
    »Isana!«, zischte Kitai.
    »Also gut«, sagte Isana nervös. Dann trat sie an die Dachkante und stellte den Fuß in die Schlinge. Die zog sie nun fest zusammen und umklammerte das Seil vor dem Bauch mit beiden Händen.
    Es war sehr, sehr weit bis zum Boden.
    Sie schloss die Augen und trat über die Kante.
    Noch während sie in die leere Luft trat, zog Kitai das Seil stramm, und deshalb fiel sie nicht, sondern beschrieb einen weiten, sanften Bogen nach unten. Von der Geschwindigkeit wurde ihr schwindelig, und unwillkürlich stieß sie einen leisen Schrei aus. Dann hatte sie das vordere Ende des Schwungs erreicht, schaukelte rückwärts und klammerte sich verzweifelt ans Seil. Einige Male drehte sie sich wild, und dann bemerkte Isana, dass sie mit kurzen, ruckartigen Bewegungen nach oben gezogen wurde.
    Nun öffnete sie die Augen und sah Kitai als dunklen Schemen, der sich vor dem hellen Stein des Aquädukts abhob und
Isana hochhievte, Hand um Hand, während sie die Füße fest auf den Stein stemmte. Als Isana die Kante des Aquädukts erreichte, schaffte sie es, sich zitternd hinaufzuziehen. Ihr Fuß wurde von der Schlinge abgeschnürt.
    »Komm«, sagte Kitai leise. »Beeil dich.«
    Isana befreite ihren Fuß, während Kitai das Seil aufwickelte und dann ein Stück weit den Aquädukt entlanglief, der im Wesentlichen aus einer Steinrinne in großer Höhe bestand. Auf diesem Weg wurde ständig eine Wassermenge in die Stadt geleitet, die ungefähr dem Mühlbach daheim auf ihrem Wehrhof entsprach. An beiden Seiten der Rinne gab es einen Rand, der in etwa einen Fuß breit war, und darauf folgte Isana nun Kitai, so schnell sie konnte. Sie hielt den Blick nach vorn auf den Rücken der Marat gerichtet. Wenn sie nach unten schauen und sich vergegenwärtigen würde, wie leicht man abstürzen könnte, würde sie die Füße vermutlich nicht mehr bewegen können.
    Bei den großen Elementaren, hoffentlich

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