Der Protektor von Calderon
erklärte Demos.
»Also sollten wir aufbrechen«, murmelte Araris. »Lass sofort die Segel setzen.«
»Es wurde Befehl erlassen, dass alle Schiffe im Hafen bleiben müssen«, erwiderte Demos.
»Dann hätten wir gestern Nacht losfahren sollen.«
»Was ihnen eindeutig verraten hätte, wo sie nach dem Gefangenen suchen sollen«, erwiderte Demos. »Nein. Wir bleiben im Hafen, bis wir Erlaubnis zum Auslaufen erhalten, und wenn wir erst einmal unterwegs sind, blicken wir die ganze Reise nicht mehr nach achtern.« Er wandte sich an Isana. »Und wo liegt das Problem?«
Isana deutete auf Varg. Der Cane war zu groß für die Heilwannen auf der Schleiche, deshalb lag er in dem seichten Becken im Frachtraum, wo sonst die Hexer untergebracht waren. »Der Cane. Er ist schwer verwundet, und er lässt sich von niemandem anrühren. Mir hat er beinahe die Hand abgebissen, als ich ihn heilen wollte.«
»Jedenfalls müssen wir ihn woanders unterbringen«, sagte Demos. »Wir haben nur noch etwa fünfzehn Minuten.«
»Er lässt es aber nicht zu«, beharrte Isana. »Und wenn er anfängt, wild um sich zu schlagen, könnte ihn das umbringen.«
»Wenn wir ihn nicht woandershin schaffen«, erwiderte Demos, »könnte uns das alle umbringen.« Er legte die Hand auf seinen Schwertgriff. »Auf die eine oder andere Weise wird er in fünfzehn Minuten im Fluss sein.« Der Kapitän stieg hinauf an Deck.
Isana wechselte einen langen Blick mit Araris. Dann sagte sie: »Hol ihn.«
»Bist du sicher?«, fragte Araris. »So wie er aussieht, befindet er sich in einem schlechten Zustand.«
»Sicherlich«, bestätigte Isana. »Aber er würde es so wollen.«
Araris verzog das Gesicht und ging. Als er kurz darauf wieder
erschien, trug er Tavi halb. Der junge Mann stolperte beinahe, als er die Stiege herunterkam, und er stützte sich bei dem kurzen Stück bis zum Becken auf Araris. Isana tat es im Herzen weh, als sie sah, wie blass ihr Sohn war. Seine Augen waren tief eingefallen und sahen aus, als hätte man ihn mit Fäusten geschlagen. Gestern Nacht hatte er einen noch schlimmeren Eindruck gemacht, und sie hatte ein Dutzend kleinerer Schnitte, drei Knochenbrüche und halb zerrissene Muskeln heilen müssen, dazu Verbrennungen an Mund, Hals und in der Lunge, weil er elementarerhitzte Luft eingeatmet hatte, und außerdem die schweren Wunden an den Händen.
Einen Körper wiederherzustellen, der so viel erlitten hatte, verlangte dem Betroffenen eine Menge ab. Tavi sollte gar nicht bei Bewusstsein sein, geschweige denn auf eigenen Beinen stehen, und dennoch wirkten seine grünen Augen wach und aufmerksam, wenn auch müde.
»Was gibt es denn?«, fragte Tavi leise. Seine Stimme klang heiser und rau. Auch mit Wasserwirken konnte sie die Verbrennungen nicht sofort vollständig heilen.
»Varg«, sagte sie. »Ich habe versucht, ihm zu helfen, aber er lässt sich nicht von mir anfassen. Wir müssen ihn gleich verstecken, ehe sie das Schiff durchsuchen.«
Tavi blinzelte träge, und einen Moment lang fragte sie sich, ob er sie überhaupt verstanden hatte. »Ach«, sagte er schließlich. »Gut. Versuch es noch einmal.«
Isana runzelte die Stirn. »Ich habe es schon mehrmals versucht …«
Tavi schüttelte den Kopf. Erschöpft planschte er mit der Hand im Wasser, setzte sich nicht weit vom Kopf des Cane entfernt auf den Boden, stellte die Füße ins Wasser und ließ die Schultern hängen. Müde bedeutete er Isana, sie solle fortfahren.
Isana stieg erneut ins Wasser, rief Bächlein und näherte sich Varg. Wachsam streckte sie eine Hand zu seiner Brust aus und beobachtete, ob sich der riesige, fellbesetzte Körper bewegte. Ihre
Finger gelangten ungefähr bis auf einen Zoll an das Haar des Cane heran, ehe er zu knurren begann. Seine halb geöffneten Augen starrten zwar weiter ins Leere, doch er fletschte die weißen Zähne und öffnete die Schnauze ein wenig.
Tavi bewegte sich plötzlich mit erschreckender Schnelligkeit zum Kopf des Cane. Ehe Isana eingreifen konnte, packte ihr Sohn eins der Ohren des Cane mit einer Hand, verdrehte es und hielt Vargs Schnauze mit der anderen zu. Dabei drückte er den Kopf des Cane in einem fast brutalen Winkel nach hinten.
Und dann war Isana endgültig schockiert, als ihr Sohn sich Vargs Kehle mit den Zähnen näherte.
Varg erstarrte, und seine Pfotenhände kamen halb aus dem Wasser - doch ehe sie nach Tavi greifen konnten, verharrten sie, und aus seiner Kehle löste sich ein leises Knurren.
Dann hörte sie, wie Tavi, die
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