Der Protektor von Calderon
Ehren.
Plötzlich schienen Varg die Kräfte im Stich zu lassen, gerade als er in den Wagen steigen wollte. Tavi stellte sich hinter ihn, stieß einige ordentliche Flüche aus und drückte den Berg von Muskeln und Fell nach oben. Araris packte einen der Arme und zog. Irgendwie gelang es ihnen, den Cane in den Wagen zu hieven.
Kitai stand auf dem Kutschbock und hielt einen dicken Beutel in der Hand. »Aleraner!«
Tavi mühte sich ab, und mit Araris’ Hilfe stieg er ebenfalls auf den Wagen. »Los, los, los!«
Die Straße war zu schmal, um den Wagen zu wenden. Das erkannte Tavi mit einem Blick. Als Ehren die nervösen Pferde antrieb, stieß er einen Protestschrei aus. Der Wagen würde es durch die Gruppe von Ritter Ferrum nicht schaffen. Die Klingen der Grauen Wache würden das Gefährt in Kleinholz verwandeln.
Kitai griff in den großen, wärmegedämmten Beutel, den sie zuvor im Wagen verstaut hatte, und holte einen Kaltstein hervor. Den hob sie in die Höhe und warf ihn an das nächste Gebäude, wo er zersprang und seinen Feuerelementar freigab.
Es folgte ein blauer Blitz, als die Kälte in die Luft austrat, in
die Elementarlaternen, die auf gleicher Höhe hingen. Der Feuerelementar verschlang die Flammen und sprang hungrig von einer zur anderen, und zwar über hundert Fuß in beide Richtungen. Unvermittelt war die Straße in Dunkelheit getaucht.
»Hü!«, brüllte Ehren die Pferde an. Die Tiere galoppierten in Panik los, und ähnliche Panik verspürten vermutlich auch die Grauen Wachen in diesem Augenblick. Ihm ging es nicht anders. Um sie herum schrien Männer, und Hufschlag donnerte über das Pflaster; die Räder rumpelten, und der Wagen vollführte wilde Sätze. Tavi hörte einige Schmerzensschreie, dann blieb die Dunkelheit hinter ihnen zurück, und sie befanden sich wieder auf einem von Elementaren beleuchteten Straßenstück.
Kitai warf einen zweiten Stein, und erneut wurde es um sie herum stockfinster. Das würde, so hoffte Tavi, die Verfolger behindern und die Maßnahmen anderer Gesetzeshüter stören. Und es stimmte. Zumindest dieser Teil lief nach Plan ab.
Nach fünf oder sechs Minuten halsbrecherischer Flucht bremste Ehren den Wagen ab, fuhr noch einige Häuserblocks weiter und bog immer wieder ab. Isana verband unterdessen Tavis rechte Hand und untersuchte besorgt die anderen Verletzungen.
Schließlich hielt Ehren in einer engen Gasse an. »Da wären wir«, sagte er leise. »Hier lassen wir ihn stehen. Das Schiff ist gleich dahinten.«
»Und die Pferde?«, fragte Kitai.
»Einer meiner Helfer wird sie zusammen mit dem Wagen abholen«, erklärte Ehren. »Ich habe dafür gesorgt, dass die Lampen nicht brennen, und so können wir den Cane auf das Schiff verfrachten.«
»Wie geht es ihm?«, lallte Tavi. Schlagartig spürte er, wie erschöpft er war.
Unter einer Plane knurrte jemand: »Ich kann gehen.«
»Gut«, meinte Tavi. »Dann also auf.«
»Er ist verwundet«, sagte Isana zu Araris. »Sein Knöchel sieht schlimm aus. Er muss gestützt werden.«
»Mir geht es gut«, sagte Tavi. »Los, zum Schiff.«
Kitai seufzte ungeduldig und sagte: »Ich kümmere mich darum.« Sie kam um den Wagen und legte sich einen Arm von Tavi über die Schultern. »Komm, Chala . Stütz dich auf mich. Gut so.«
Tavi schloss die Augen und ließ sich von Kitai führen. Sie sprach leise, lenkte ihn und munterte ihn auf, und das war viel schöner als das unbehagliche Gefühl, das sich in ihm ausbreitete.
Denn er konnte das Metallwirken immer weniger aufrechterhalten. Der Schmerz wurde stärker.
Er erinnerte sich, wie sie die Schleiche erreichten und wie Kitai ihm die Rüstung abnahm.
»Varg«, murmelte er. »Sag ihr, sie soll sich zuerst um Varg kümmern. Er ist verletzt.«
»Keine Befehle mehr, Chala «, gab Kitai sanft zurück.
Eine Weile lang trieb er in Schmerz und Stille dahin. Dann folgte eine wohltuende, tiefe Wärme.
Und schließlich nichts mehr.
37
Isana sah auf, als Tageslicht durch die Luke oben in den Frachtraum fiel. Demos und Faede kamen die steile Stiege herunter und traten zu ihr. Demos’ Gegenwart nahm sie wie gewöhnlich nur gedämpft mit ihren Sinnen war, aber was sie spürte, war milde Sorge.
»Wo liegt das Problem?«, fragte Demos. »Sie haben angefangen, den Hafen und alle Schiffe zu durchsuchen. Uns bleibt nicht viel Zeit.«
»Jetzt schon?«, fragte Isana. »Das ging schnell.«
»Sie fangen immer an den Stellen an, wo jemand die Stadt möglicherweise in Eile verlassen könnte«,
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