Der Protektor von Calderon
während sich Isana dem verwundeten Cane zuwandte.
38
Valiar Marcus starrte schockiert auf den Speer, der aus seinem Bauch ragte.
Der Canim-Wurfspieß hatte eine winzige Lücke zwischen Marcus’ Schild und dem des Legionare neben ihm gefunden und war mit solcher Wucht eingeschlagen, dass die schwarze Metallspitze seine Rüstung durchbohrte.
Dann begriff Marcus, dass er in der zweiten Reihe stand. Er erinnerte sich nicht, einen Schritt nach hinten gemacht zu haben. Der Speer musste ihn zurückgeworfen haben. Das war vermutlich auch der Grund, warum nur zehn Zoll des Stahls in seinen Bauch eingedrungen waren. Wurfspeere, die ein Canim-Krieger schleuderte, durchbohrten ihr Ziel für gewöhnlich vollständig.
Und hier handelte es sich um die Waffe eines Canim-Kriegers,
das wusste er, und demnach kämpfte die Kohorte Prima gegen eine Eliteeinheit des Feindes. Sie mussten sofort ihre Aufstellung anpassen und den Vormarsch beenden, denn die Canim warfen ihre Speere in der Regel unmittelbar vor einem Angriff. Marcus gelang es, tief Luft zu holen und zu brüllen: »Die Reihen schließen! Schilde hoch! Zweite und dritte Reihe halten die Speere bereit!«
Die Anführer der verschiedenen Speere wiederholten die Befehle, und die Kohorte Prima formierte sich neu und rückte zusammen. Die Legionares der zweiten und dritten Reihe steckten die Schwerter ein und machten ihre fünf Fuß langen Speere bereit, die sie hinten an ihre Turmschilde gebunden hatten. Deren Spitzen bildeten einen Wald aus tödlichen Stahlstacheln, und zwar keinen Augenblick zu früh, denn im nächsten Moment stürmten Canim-Krieger aus dem regenverhangenen Zwielicht hervor und griffen an.
Marcus schob sein Schwert in die Scheide und zog an dem Wurfspeer, doch der steckte in seiner Rüstung fest, und er bekam ihn nicht heraus. Kämpfende Legionares in der vorderen Reihe schoben den Speer hin und her, und Marcus spürte ein entsetzliches Drücken und Ziehen im Bauch, bis ihm der Atem ausging.
Er ging auf ein Knie und hob gerade noch rechtzeitig den Schild, um den Hieb eines Cane in schwarzer Rüstung abzuwehren. Die Legionares neben ihm trieben den Krieger mit Speeren und brutalen Schwertstichen zurück.
Jemand trat auf den Speerschaft, und Marcus verspürte tief in seinem Inneren einen Schmerz, wie er ihn sich bisher nicht hatte vorstellen können.
Er fiel auf den Rücken und spürte Regen auf dem Gesicht. Als er sich das Wasser aus den Augen wischen wollte, sagte Foss: »Immer mit der Ruhe, Marcus. Du solltest dich noch nicht bewegen.«
Marcus blinzelte, schlug die Augen auf und schaute sich benommen um.
Er befand sich in einem Heilerzelt.
Es war Morgen.
Er hatte die Kohorte an die wankende Flanke nahe des Waldes geführt, und dort hatte ihn der Speer getroffen.
Jetzt lag er im Zelt eines Heilers. Er war verwundet worden, und manchmal zog das geistige Verwirrtheit nach sich. Man hatte ihn aus dem Kampfgetümmel herausgebracht.
Es war so entsetzlich anstrengend, den Kopf zu bewegen, dass er es nach einem mühseligen Versuch wieder aufgab.
Er lag nackt in einer Heilwanne, und das Wasser war blutig. Foss saß am Ende der Wanne, den Kopf gesenkt und die Hände auf Marcus’ Schultern.
Marcus’ Blick wanderte hinunter zu seinem Bauch, wo er eine Wunde entdeckte, die so lang war wie seine Hand breit. Die Wunde klaffte offen, und darunter sah er … nun ja, den Teil seiner Gedärme, die sich eben darunter befanden.
»Verflucht«, flüsterte er.
»Nicht reden«, knurrte Foss. »Dabei spannst du die Bauchmuskeln an, und ich kann es im Moment gar nicht gebrauchen, dass du gegen meinen Ellbogen stößt, während ich arbeite.«
»K-Kohorte«, sagte Marcus. Er versuchte sich umzuschauen, doch in seiner Lage konnte er lediglich erkennen, dass der Tribun Medica der Ersten Aleranischen und seine Heiler alle Hände voll zu tun hatten. So ging es in Feldlazaretten zu. Männer stöhnten, schrien, weinten. Heiler trugen in stiller Entschlossenheit ihre Gefechte mit dem Tod aus, und zwar, wie Marcus wusste, mit unterschiedlichem Ausgang.
»Halt still und sei ruhig, oder ich schlag dich bewusstlos«, sagte Foss. »Die Kolonne, die euch aus der Schlucht heraus angegriffen hat, war nur eine von dreien. Die anderen beiden haben sich durch die Garde gehauen und sind uns in die Flanke gefallen. Ohne die Kohorte Prima hätten die Canim uns niedergemacht.«
Marcus wandte den Blick wieder Foss zu.
Der Heiler sah ihn an und runzelte die Stirn. »Ist nicht
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