Der Protektor von Calderon
Zähne weiterhin an der Kehle, wie ein Tier fauchte. Der Laut wurde höher und tiefer und wiederholte sich. Offensichtlich, so begriff sie nun, sprach er mit dem Cane.
Für einen Moment wurden Vargs blutrote Augen klar, und dann knurrte der Cane und ließ die Pfoten wieder ins Wasser sinken.
Tavi öffnete seinen Mund langsam und richtete sich auf. Er ließ Vargs Ohr los und packte nun das Fell in Vargs Nacken. Mit der anderen Hand hielt er ihm weiterhin die Schnauze zu.
Er drehte den Kopf zur Seite und spuckte aus, vermutlich, um die Haare aus dem Mund zu bekommen. »Du kannst anfangen«, sagte er leise, »er wird jetzt stillhalten.«
Isana starrte ihn an. »Wie in aller Welt …?«
Erschöpft lächelte er sie an. »Man muss nur wissen, wie man mit ihnen zu reden hat.«
Isana schüttelte den Kopf und blickte Araris an. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie der Singulare mit gezogenem Schwert neben Tavi getreten war.
»Zehn Minuten«, sagte Araris leise.
Isana nickte, rief Bächlein und legte Varg die Hand auf die Brust.
Ein weiteres Knurren ließ seine Brust nochmals kurz erbeben, doch der Cane, der kaum bei Bewusstsein war, regte sich ansonsten kaum.
Isana schloss die Augen und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Bächlein sowie auf das Wasser, in dem der Cane lag. Im nächsten Moment erschütterte es sie, wie viel Wasser Varg eigentlich umgab. Natürlich hatte sie gesehen, wie groß der Cane war, aber wenn sie nicht gelegentlich auf ihrem Wehrhof gerufen worden wäre, um Vieh zu heilen, hätte sie sich niemals an ein so großes Wesen herangewagt.
Zugegeben, bislang hatte sie noch nie einen Cane geheilt. Zuerst befürchtete sie, das wolfsähnliche Wesen könnte zu verschieden von ihr sein, als dass sie ihm mit ihren Fähigkeiten helfen könnte, doch schnell erkannte sie, wie grundlos diese Angst gewesen war. Leiden war überall gleich.
Sie spürte die Wunden in Varg wie bei einem Menschen oder einem Tier. Also schickte sie Bächlein im Körper des Verletzten hin und her, damit er die Wunden verschloss, gebrochene Knochen richtete und Entzündungen sowie Schmerz linderte. Keine der Verletzungen war sehr schwerwiegend: Es war eher eine Frage der Menge. Der Cane hatte so viele Wunden erlitten, dass sie überrascht war, wie er es so lange ohne ihre Hilfe ausgehalten hatte.
Dann wurde sie sanft an der Schulter gerüttelt, und sie zog ihr Bewusstsein in ihren eigenen Körper zurück. Als sie aufsah, stand Demos neben ihr. »Meine Dame«, sagte er leise, »die Zeit ist um.«
»Oh«, murmelte sie, »ja, gewiss.«
Demos betrachtete kurz Tavi, der immer noch Varg festhielt, und sagte: »Wir hätten ihn ja fesseln können. Wenn wir Ketten gehabt hätten.«
Tavi warf Demos einen verärgerten Blick zu.
Der Kapitän deutete mit dem Kopf auf Araris und dann auf das Becken. »Hinein mit euch, alle.« Er trat an die Seite des Beckens
und nahm ein Seil vom Gürtel. Das band er an einem Ring am einen Ende des Beckens fest und gegenüber an einem ähnlichen Ring. »Daran müsst ihr euch festhalten.«
Isana sagte zu Tavi: »Varg ist jetzt bewusstlos. Ich musste eine Menge tun. Er wird Hilfe brauchen.«
Tavi nickte und blickte Araris an. Der Singulare steckte sein Schwert ein. Jeder der beiden stellte sich auf eine Seite neben Varg und legte sich einen der riesigen Arme über die Schulter.
»Das Seil«, sagte Demos leise, und Isana rührte sich endlich und griff mit beiden Händen nach dem Seil. Demos nickte zustimmend und fügte leise hinzu: »Sollte nicht lange dauern.«
Er schloss die Augen und vollführte mit einer Hand eine Geste. Der Rumpf des Schiffes veränderte sich plötzlich unter ihnen, als wäre er flüssig, und dann fielen sie und befanden sich bis zum Kinn im Fluss. Während Isana zuschaute, schloss sich der Rumpf wieder über ihnen und ließ eine Luftblase in der kuppelförmigen Ausbuchtung des Schiffskörpers zurück.
Nun blieb ihnen nichts zu tun übrig, als sich in fast vollständiger Dunkelheit am Seil festzuhalten und zu warten.
»Tavi«, sagte Isana leise. »Wie lang weißt du es schon?«
Es folgte ein Augenblick des Schweigens. Immerhin versuchte Tavi keine Ausflüchte, ja, er fragte nicht einmal zurück, was sie denn meinte. »Fast zwei Jahre jetzt.«
»Warum hast du es mir nicht erzählt?«
»Zuerst«, begann er flüsternd, »weil ich dachte, du würdest mir bestimmte Dinge verheimlichen. Es erschien mir … wie ausgleichende Gerechtigkeit.«
Isana spürte Verärgerung, die sich mit dem
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