Der Protektor von Calderon
sind unter ihnen. Ich habe ein Weibchen mit Jungen gesehen.«
Vargs Krallen gruben sich in die Reling.
»Es war nicht einfach nur ein Überfall«, fuhr Tavi fort. »Eher scheint es, als wollten sie eine Kolonie gründen.«
»Das Wort kenne ich nicht«, sagte Varg.
»Es bedeutet, dass man eine Gruppe in ein neues Gebiet schickt. Sie nehmen alles mit, was sie brauchen, und bauen sich eine neue Heimat auf.«
Varg zuckte bejahend mit den Ohren.
»Nach der Nacht, in der die Vord unseren Ersten Fürsten angegriffen haben, ist Sarl verschwunden. Wir wissen inzwischen, dass er mit einem Schiff aus der Hauptstadt in seine Heimat zurückgekehrt ist. Obwohl wir wochenlang nach ihm gesucht haben, konnten wir ihn nicht finden.« Tavi blickte in Richtung Westen, wo Vargs Heimatland lag. »Auch die Vord-Königin haben wir nicht gefunden.«
Varg fletschte die Zähne.
»Sarl hatte längst mit den Vord gemeinsame Sache gemacht. Ich glaube, bei seiner Flucht hat er sie mitgenommen. In deiner Heimat ist die Königin ihm dann entkommen. Nachdem er schließlich erkannt hatte, was vor sich ging, wird er Geiseln genommen haben, um sich der Hilfe von Nasaug und seiner Krieger zu versichern. Er hat alles gestohlen, worauf er die Hand legen konnte, und ist geflohen, weil er in seiner Verschwörung mit Kalarus seine letzte Chance sah.«
»So«, knurrte Varg, »kannte ich Sarl.«
»Ich glaube«, sagte Tavi leise, »dein Volk ist in großer Gefahr. Deshalb hat Sarl die Schiffe hinter sich verbrannt. Er wusste, Nasaug würde zurückkehren, um eure Heimat zu beschützen. Und deshalb baut Nasaug jetzt eine neue Flotte.«
Varg erwiderte nichts. Auch seine Körperhaltung verriet nichts. Einen Augenblick später sagte er: »Wenn das wahr ist, Aleraner, dann wären deine Feinde außer Gefecht gesetzt. Welchen Grund könntest du haben, Nasaug bei der Rückkehr zu helfen?«
»Machst du Witze?«, fragte Tavi. »Aus ureigenstem Interesse. Wenn die Vord euer Volk vernichten, kommen sie früher oder später wieder her. Wenn ich dich mit ihnen heimschicke, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder besiegt ihr die Vord, und in dem Fall hat es Alera mit dem gleichen Feind zu tun wie bisher. Das wäre keine Verschlechterung. Oder sie vernichten euch, werden dabei geschwächt und machen es Alera damit leichter, gegen sie zu kämpfen. So oder so ist es für uns von Vorteil, wenn dein Volk in seine Heimat zurückkehrt.«
Varg dachte kurz darüber nach. »Wenn du recht hast, hätten wir einen gemeinsamen Feind.«
»Ich habe recht«, sagte Tavi leise. »Ich bin mir ganz sicher.«
Der Cane sah Tavi von der Seite an. »Was schlägst du vor?«
»Ich übergebe dich Nasaug in Werftstadt. Du baust die Schiffe zu Ende und stichst in See.«
»Klingt einfach«, sagte er. »Ist aber nicht so einfach, Aleraner. Du wirst nicht so respektiert, wie es deinem Blut gebühren würde. Kannst du deine Legionen dazu bringen, die Kämpfe einzustellen? Und kannst du meinem Volk erlauben, dein Land zu verlassen?«
Tavi knirschte mit den Zähnen, musste jedoch einräumen: »Ich weiß es nicht genau.«
»Wie willst du es dann schaffen?«
»Ich weiß es nicht genau«, sagte Tavi. Er kniff die Augen zusammen. »Noch nicht. Aber ich schaffe es.«
Varg antwortete nicht.
Die beiden standen da und starrten hinaus in den dunklen Westen, und plötzlich wurde Tavi sehr kalt.
41
»Das gefällt mir nicht, Erster Speer«, sagte Crassus leise. »Es war zu leicht.«
Sie standen in den Ruinen einer alten Stadt auf einem Hügel. Der Name dieses Ortes war längst vergessen. Vielleicht war die Stadt einfach verlassen worden, als Werftstadt mit seinem Hafen in nur wenigen Meilen Entfernung so erfolgreich immer weiter
gewachsen war, aber was auch der Grund sein mochte, seit Jahrhunderten lebte hier nur noch Wild, das allenfalls von gelegentlichen Reisenden belästigt wurde.
»Ich war sicher, sie würden diesen Ort stark befestigen«, sagte Marcus. »Andererseits bin ich froh, dass wir nicht kämpfen mussten, um ihn einzunehmen.«
»Genau«, sagte Crassus. »Sie hätten es tun können, und sie hätten es tun sollen. Trotzdem haben sie es nicht getan.«
»Die Canim sind gute Soldaten«, erwiderte Marcus. »Aber deshalb sind sie nicht fehlerlos, Hauptmann. Und es könnte alle möglichen Gründe geben, weshalb sie diesen Ort nicht gegen uns ausgebaut haben. Nun, gleichgültig ob sie lediglich einen Fehler begangen haben oder einfach nicht rechtzeitig fertig geworden sind, für uns ist es
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