Der Protektor von Calderon
meinetwegen.«
»Na gut«, meinte Kitai versöhnlich.
Araris, der nun ebenfalls einen Kapuzenmantel trug, kam zu Isana. Über seiner Schulter hing eine Tasche. Er hielt sie ihr hin, und Isana nahm sie entgegen und strich dabei sanft über seine Finger. Seine Augen leuchteten kurz auf, und er neigte den Kopf vor ihr. »Bereit?«
Plötzlich spürte Isana eine Welle der Belustigung, die von Kitai ausging, gemischt mit Erkenntnis, und die Marat murmelte: »Na, sie schon.«
»Kitai!«, zischte Isana und errötete.
»Ach, immer dieser Unfug, dass die Männer in getrennten Räumen untergebracht werden. Ich hätte mein Zimmer mit meinem Aleraner und du mit deinem teilen sollen. Dann wären wir jetzt viel glücklicher.«
»Kitai!«
»Obwohl wir dann vermutlich unsere Angelegenheiten nicht so schnell erledigt hätten«, fügte Kitai hinzu. Sie legte den Kopf schief und betrachtete Araris abschätzend. »Wie ist er denn mit dem Mund?«
Araris wirkte wesentlich getroffener als zu dem Zeitpunkt, an dem man ihm die Bauchwunde zugefügt hatte. »Also, meine Damen«, sagte er. »Entschuldigt mich.« Er eilte über die Laufplanke zu Tavi.
Kitai lachte. »Aleraner machen es einem wirklich leicht.«
»Du bist schamlos!«, protestierte Isana und musste selbst grinsen.
»Aber sicher doch«, erwiderte Kitai. »Das ist vermutlich eine der Nebenwirkungen, wenn man eine ungebildete Wilde ist.« Nachdenklich schob sie die Lippen vor und betrachtete Tavi, der in ein Gespräch mit Ehren vertieft war. »Mein Aleraner weiß es noch nicht.«
»Richtig«, sagte Isana.
»Dir wäre es lieber, wenn es so bliebe?«
»Ja.«
Kitai lächelte schwach. »Es gab Zeiten, da hat sich Doroga mit einer Frau getroffen, nachdem meine Mutter gestorben war. Ich war noch viel jünger. Daher dachte ich, er würde das Andenken meiner Mutter besudeln. Das war schmerzhaft.«
Isana schauderte, als sie plötzlich das Gefühl von Verlust und Einsamkeit bei Kitai wahrnahm. Der Verlust der Mutter musste sie sehr tief getroffen haben, wenn es Jahre später noch so starke Emotionen hervorrief.
»Heute weiß ich es besser. Meine Mutter war tot. Man konnte doch von Doroga nicht erwarten, den Rest seines Lebens allein zu verbringen. Aber der Gedanke war für mich trotzdem zwischen den Ohren schwer anzunehmen.«
»Ich werde es ihm erklären«, sagte Isana. »Wenn er nicht so viel im Kopf hat.«
Kitai nickte. »Dann werde ich nicht davon anfangen. Wenn er mich fragt, werde ich nicht lügen, aber ich werde seine Aufmerksamkeit nicht darauf lenken.«
»Danke, Kitai.«
Die Marat neigte den Kopf. »Sag es ihm bald. Beim nächsten
Mal, wenn wir in einem Gasthaus übernachten, könnten wir es doch viel angenehmer haben.«
Sie waren von Bord gegangen und gesellten sich zu den anderen, mit denen sie durch Grimmbucht gingen, um diesen Ibrus aufzusuchen.
Bei ihrer Ankunft im Hafen war gerade die Sonne untergegangen, und jetzt wurde es dunkel. Grimmbucht hatte nicht viele Elementarlaternen auf der Straße - eigentlich sahen sie überhaupt gar keine. Die einzigen Lampen standen vor den Häusern und gehörten sicherlich deren Eigentümern. Die Straße war nicht mit elementargewirktem Stein und nicht einmal mit gewöhnlichem Pflaster belegt, sondern bestand aus einem schlammigen Weg. Die Abwässer von Grimmbucht flossen durch verstopfte Gossen an beiden Seiten der Straße, und es herrschte ein entsetzlicher Gestank.
Während sie in die Stadt gingen, schien Varg geradezu um einige Zoll zu schrumpfen, weil er den Kopf zwischen die Schultern zog und manchmal auch abwandte, als suchte er nach einer Möglichkeit, dem Geruch zu entkommen.
Es gab nur die eine Straße, die sich vom Meer aus einen steilen Hang hinaufwand. Ehren führte sie bis zur letzten Kurve, wo ein riesiges Haus stand, das einst vielleicht etwas hergemacht und einem Magistrat oder einem kleinen Grafen gehört haben mochte. Inzwischen war der weiße Stein in Sonne und Wind verwittert, und die meisten Fenster waren eingeschlagen. Was früher vielleicht ein kleiner Vorgarten gewesen war, zeigte sich heute von Unkraut und Sträuchern überwuchert.
Ehren ging zur Tür, zog sein Messer und schlug mit dem Knauf mehrmals gegen das Holz. Die abgeblätterte, billige Tür war eindeutig erst vor nicht allzu langer Zeit eingebaut worden, und sie war übersät mit unendlich vielen kleinen Schrammen, wo wohl schon andere Leute zuvor mit dem Messerknauf dagegengeklopft hatten.
Eine ganze Weile lang geschah
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