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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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nichts.

    »Sollen wir nicht einfach reingehen?«, fragte Tavi.
    »Oh, bei den Krähen, nein«, antwortete Ehren rasch. »Sehr schlechte Idee.« Er klopfte erneut. »Ibrus!«, rief er. »Ich muss mir dir sprechen, und es wird sich auch bestimmt für dich lohnen.«
    Man hörte Schritte auf dem Holzboden im Inneren, die näher kamen. Kurz darauf wurde die Tür von einem riesigen Kerl geöffnet, auf dessen Hemd Essensflecke prangten. Er hatte dicke Brauen, einen kräftigen Nacken, und ihm fehlte ein Stück der Oberlippe, so dass es aussah, als würde er die Zähne fletschten.
    »Sig«, sagte Ehren und lächelte. »Ist Ibrus da?«
    Der große Mann lallte stark wegen der Verstümmelung im Gesicht, doch er sprach überraschend freundlich. »Es ist schon spät, Appius. Er hat dir doch gesagt, zu welchen Zeiten man ihn sprechen kann.«
    »Es könnte sich aber diesmal für ihn lohnen.«
    »Ach, das sagen sie doch alle«, meinte Sig.
    Ehren warf dem großen Kerl zwei Münzen zu, und im Licht der einsamen Elementarlaterne sah Isana Gold funkeln.
    »Kommt herein«, sagte Sig. Er steckte die Münzen ein und führte sie in die Eingangshalle, einen großen Raum, in dem offensichtlich Gäste empfangen wurden und der um einen großen, halb zerfallenen Springbrunnen angelegt war. Das Wasser war dunkel und völlig still. Sig verharrte einen Moment, als Varg geduckt durch die Tür trat, und starrte den Cane an. »Warte hier. Ich hole ihn.«
    »Bezaubernd«, murmelte Tavi Ehren zu, nachdem Sig gegangen war.
    »Es hilft, wenn man die richtige Sprache kennt«, meinte Ehren.
    »Appius?«, fragte Tavi.
    »Jeder in diesem Teil des Reiches hat wenigstens zwei oder drei Decknamen. Wenn man sich da nicht auch den einen oder anderen anschafft, bekommt man hier keinen Fuß in die Tür.«
    »Dieser Ibrus«, fragte Tavi. »Können wir dem vertrauen?«

    »Auf jeden Fall«, erwiderte Ehren, »wird er tun, was für ihn selbst am besten ist.«
    Tavi nickte und blickte sich in der schattigen Halle um. »Mir gefällt das nicht. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, wie wir uns Reittiere besorgen können …«
    »Die gibt es leider nicht«, erwiderte Ehren entschlossen.
    Tavi murmelte etwas vor sich hin und blickte sich um. »Trotzdem.«
    Wieder waren Schritte zu hören, und ein zweites Licht näherte sich. Sig trug in einer Hand eine Elementarlampe und in der anderen eine schwere Keule. Neben ihm ging ein Mann. Er war nicht sehr groß und gut gebaut, sein dichtes rotes Haar und sein Bart zeigten erste Spuren von Grau. Der Mann trug ein feines Gewand, wie es Senatoren und die protzigeren Cives trugen, es war allerdings zerknittert und voller Flecken von, wie Isana hoffte, Wein.
    »Appius«, grüßte Ibrus und gähnte. »Ich war gerade mit einer wunderbaren Abendunterhaltung beschäftigt und kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dein Erscheinen stört.«
    Isana widmete dem Kerl unwillkürlich verstärkte Aufmerksamkeit. Obwohl der Mann verärgert und gelangweilt klang, sahen seine wahren Emotionen ganz anders aus.
    Er war angespannt und hatte Angst.
    »Du bist ein Mittelsmann, Ibrus«, erwiderte Ehren. »Deshalb möchte dich jeder mit Mitteln mitten in der Nacht sehen - oder er sucht nach Mitteln, dich auf den Scheiterhaufen zu bringen. Dazwischen gibt es wenig.«
    »Eines Tages wird dich dein Mundwerk noch in große Schwierigkeiten bringen, Appius«, erwiderte Ibrus düster.
    Ehren hob einen Geldbeutel und klimperte damit. »Na, den bringe ich dann lieber irgendwohin, wo ich dich nicht störe. Ich brauche Pferde.«
    Ibrus verzog das Gesicht und verdrehte die Augen. »Sig.«
    Der große Mann streckte die Hand aus, und Ehren ließ den
Beutel hineinfallen. Sig schüttete die Münzen in seine Hand, betrachtete sie, steckte sie zurück, nickte und reichte das Geld Ibrus.
    »Es gibt keine große Auswahl«, warnte Ibrus. »Die Freie Aleranische hat sich alles geholt, was sie finden konnte.«
    »Was hast du denn noch?«, fragte Ehren. Und damit begann das Feilschen wegen der Pferde.
    Währenddessen fiel Isana immer stärker der Unterschied zwischen Ibrus’ äußerer Haltung und seinen tatsächlichen Gefühlen auf. Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Die meisten Menschen verhielten sich so. Schließlich gehörte das zum höflichen Benehmen. Aber seit ihrem Abenteuer bei den Leviathanen waren ihre Wasserkräfte feiner geworden, und sie konnte nun Einzelheiten und Kleinigkeiten mit zunehmender Klarheit erkennen. Ibrus unterdrückte nicht nur Gefühle,

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