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Der Protektor von Calderon

Der Protektor von Calderon

Titel: Der Protektor von Calderon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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manche waren wahrscheinlicher als andere: Die größten Freuden und die schrecklichsten Verletzungen erlebte man meist in der Familie.
    Der Name Phrygiar deutete, wie jeder andere Muttername, jedes Matronymikon, auf Unehelichkeit hin. Kinder, die nicht von ihren Vätern und somit ihren Häusern anerkannt wurden, nahm man in das »Stadt-Haus« des Hohen Fürsten auf, der an dem jeweiligen Geburtsort regierte.
    Deshalb lebte Max einst in Antillar. Sein Vater, der Hohe Fürst von Antillus, hatte ihn nie anerkannt. Man konnte durchaus sagen, dass Max einige Male ein außergewöhnliches Verhalten an den Tag gelegt hatte, vor allem als Reaktion auf diese grundlegende Unsicherheit, diese alte Wunde in seiner Seele.
    Tavi wusste selbst, wie es war, ohne Vater aufzuwachsen. Dessen Fehlen hatte ein tiefes Loch in ihm hinterlassen, das sich niemals vollständig füllen ließ, und wenn es jemand berührte, hatte das einen entsetzlichen Schmerz zur Folge.
    Oh, ja.
    Wenn das stimmte, konnte er Navaris verwunden.
    Er konnte sie mit einem Atemzug töten.
    »Diesen Kampf kannst du nicht gewinnen«, sagte Tavi leise. »Wenn du mich besiegst, werden die Mauern von Canim überrannt. Alle werden sterben.«

    »Vermutlich«, erwiderte sie völlig kalt. »Aber zuerst hole ich mir Araris.«
    »Auch, wenn du dafür sterben musst?«
    »Auch dann.«
    »Wozu? Was hat das für einen Sinn?«
    »Ich werde beweisen, dass ich die Beste bin«, erwiderte Navaris. »Das größte Schwert, das es je in Alera gab.«
    Tavi musste sich zwingen, nicht zu eifrig zu klingen, als er antwortete. »Wem willst du das beweisen?«, fragte er ruhig.
    Navaris gab keine Antwort. Schmerz mischte sich in die Emotionen, die zu ihm herüberwallten.
    »Ich bin auch ohne Vater aufgewachsen«, fuhr Tavi fort.
    Navaris starrte ihn an. Bei dem Wort »Vater« wallte der Wahnsinn ihres Geistes noch stärker herüber.
    Tavi hatte recht gehabt.
    Er wusste, wie leicht ihn die leiseste Berührung dieses alten Schmerzes in Zorn versetzen konnte, wenn er sich nicht sorgsam im Zaum hielt. Navaris hatte eine ähnliche Wunde erlitten, doch anders als bei Tavi konnte sie den Wirbelsturm aus Wut und Hass selbst an ihren besten Tagen kaum beherrschen. Sicherlich verfügte sie über einen Willen, der härter war als Diamanten, aber Tavi würde sie jetzt genau im richtigen Winkel treffen.
    Der Kampf war so gut wie gelaufen. Sie hatte es nur noch nicht begriffen.
    »Deinem Vater wirst du damit gar nichts beweisen, weißt du«, sagte Tavi. »Selbst wenn du Araris und mich besiegst, wirst du hier sterben. Und mit unserem Tod wird die Geschichte vergessen werden.«
    Die Spitze von Navaris’ langer Klinge zitterte.
    »Glaubst du, wegen eines Leichenberges wird er die Aussöhnung mit dir suchen? Glaubst du, er wird eine blutgierige Mörderin in die liebevollen Arme schließen?«
    Navaris riss die Augen auf, bis Tavi das Weiße rundherum sehen konnte, und sie knirschte mit den Zähnen. Der Schmerz,
der von ihr ausging, wurde heftiger. Die Stimme der Stecherin bebte. »Hör auf.«
    »Nein, wird er nicht«, sagte Tavi ohne Mitleid. »Niemals. Du bist zu einem Ungeheuer geworden, und du bringst nur Schande über sein Haus, genauso, wie du nur Leid in die Welt gebracht hast.«
    Die Stecherin begann, langsam den Kopf zu schütteln, und ihre großen, wahnsinnigen Augen glänzten.
    Die Frau litt Schmerzen - alte, alte Schmerzen eines verwundeten Kindes, das nicht begriff, was geschehen war und wie es sich je davon erholen sollte. Tavi kannte das. Er hatte es sein ganzes Leben lang gefühlt, und plötzlich wurde es schwierig zu unterscheiden, wo die Qualen von Navaris aufhörten und seine eigenen begannen.
    Der Schmerz der Frau fütterte sich nun selbst, und plötzlich drehte sich Tavi der Magen um, weil er unfreiwillig Mitleid empfand - aber er zwang sich fortzufahren. »Es spielt keine Rolle, wie viele du umbringst oder wen du umbringst. Du wirst niemals willkommen geheißen.«
    Sie keuchte jetzt, obwohl sich keiner von ihnen bewegte.
    »Dein ganzes Leben war eine Lüge. Du bist eine Lüge, Navaris.« Er senkte die Stimme und sagte sanft: »Du bedeutest ihm gar nichts. Du bist nichts, Navaris. Nur ein wahnsinniges, elendes Tier, das man zur Strecke bringen wird.«
    Mit offenem Mund stieß sie ein kehliges Stöhnen aus, und die kindliche Trauer vermengte sich plötzlich mit der verrückten Feindseligkeit und Wut. Damit zersprang ihre Selbstbeherrschung in tausend Scherben.
    Etwas Eigenartiges

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