Der Protektor von Calderon
zurückzuhalten, die ihr auf der Zunge lag. »Bernard, das wäre Hochverrat.«
»Das sehe ich aber ganz anders«, erwiderte er. »Ich habe geschworen, die Krone zu schützen. Der Eid sagt nichts darüber, vor wem ich die Krone schützen soll, möglicherweise nämlich auch vor sich selbst. Du hast einen ganz ähnlichen Eid geschworen, glaube ich.«
»Eine solche Entscheidung kannst du nicht treffen«, zischte Amara.
»Die habe ich bereits getroffen«, gab er zurück. »Es ist lange her, seit Gaius zum letzten Mal ins Feld gezogen ist, und du warst noch nie dabei. Du hast nie erlebt, wie Männer an solchen Entzündungen elendig verreckt sind.« Er wandte den Blick ab. »Die Entzündung nimmt ihnen alles, Amara. Die Würde. Die Kraft. Sie welken dahin, so schnell, dass man fast dabei zuschauen kann.« Er schauderte. »Das Reich hält so schon kaum noch zusammen. Wenn Gaius etwas zustößt, wenn er auf diese Weise stirbt …«
Sie biss sich auf die Unterlippe und berührte ihn an der Schulter. »Er kennt die Risiken, Liebster. Er hat sich entschieden, sie auf sich zu nehmen.«
»Er trägt nicht nur die Verantwortung für sein eigenes Leben«, entgegnete Bernard. »Was ist so wichtig, dass es rechtfertigt, sein Leben zu gefährden?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Amara ruhig. »Er hat es mir nicht gesagt.«
Bernard warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Du weißt nicht einmal, warum er das alles tut?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Warum, Amara, stellst du dich dann gegen mich, bei den verfluchten Krähen?«
»Weil ich seinem Urteil vertraue«, sagte Amara leise. »Weil ich einen Eid geleistet habe.« Sie hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Genau wie du.«
Bernard brummelte, als würde er den Treffer anerkennen.
Amara lehnte sich bei ihm an, und er legte einen Arm um sie. Ihre Wange lag an seiner Brust. »Wenn er es dir auch nicht gesagt hat, warum bist du dann hier?«
Bernards Stimme dröhnte angenehm in ihrem Ohr. »Er hat gesagt, er brauche einen guten Waldläufer und Kundschafter, einen, dem er vertrauen könne.« Er stieß Luft durch die Nase aus; es klang wie ein kleines Lachen. »Und er hat gesagt, du würdest mit dabei sein. Er wusste, der Grund würde mir genügen.«
Amara hob den Kopf plötzlich und starrte ihren Gemahl an. »Er wusste außerdem, dass ich, sobald wir wieder zusammen sind, zu abgelenkt sein würde, um viele Fragen zu stellen.« Sie spürte, wie sich ihr Mund zu einem trockenen Lächeln verzog. »Bis es zu spät war, meine Meinung zu ändern.«
Bernard runzelte die Stirn und blickte zurück in die Richtung, wo Gaius saß. »Wir machen keinen weiteren Schritt, ehe ich nicht genau weiß, was wir vor uns haben.«
Amara runzelte nachdenklich die Stirn und antwortete langsam: »Ich denke, die Pflicht würde von mir verlangen, dich daran zu hindern, diese Reise zu verhindern. Streng genommen.«
»Das hast du schon einmal getan«, erwiderte Bernard, und seine Augen funkelten belustigt. »Du wirst dich sicherlich erinnern, wie es ausgegangen ist.« Seine Miene wurde wieder ernst. »Du könntest mich nicht davon abhalten, uns zu verraten, Amara. Und ohne Elementarkräfte kann er es auch nicht. Selbst, wenn er gehen könnte.«
Amara nickte langsam. »Ja, vielleicht.«
»Oh?«
»Damit haben wir einen Ansatzpunkt, um ihn zu überzeugen.« Sie blickte zurück zum Ersten Fürsten. »Mittlerweile hält er aus reinem Reflex alles geheim. Ich kann ihm jedoch nicht dienen und ihn nicht beschützen, wenn ich im Dunkeln tappen muss. Aber …«
Bernard nahm ihre Hand und drückte sie leicht. »Aber was?«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Es fühlt sich einfach nicht gut an. So viele haben sich schon gegen ihn gewandt. Fidelias …«
Tränen schossen ihr in die Augen, begleitet von heißem Zorn, als sie an ihren verräterischen Mentor dachte, und sie konnte nicht weitersprechen.
»Das ist nicht das Gleiche, Liebste«, sagte er leise. »Du versuchst ihn zu beschützen und benutzt dazu deinen Verstand. Das ist ganz und gar nicht das Gleiche.«
»Hoffentlich hast du recht«, sagte sie leise, schüttelte den Kopf und unterdrückte die Tränen, ehe sie fallen konnten. Dann riss sie sich zusammen und ging zu Gaius zurück. Bernard begleitete sie.
Der Erste Fürst blickte zwischen den beiden hin und her. »Ach.«
Amara blieb vor ihm stehen und kniete sich hin, damit sie auf einer Augenhöhe mit ihm war. »Majestät, Graf Calderon …«
Er hob die Hand, winkte ungeduldig ab und sah
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