Der Protektor von Calderon
dass Septimus in den beiden Jahren vor seinem Tod zweimal von Meuchelmördern überfallen wurde. Leider hatte er keinen Erfolg bei seinen Bemühungen, deren Auftraggeber zu entlarven. Als er die Kronlegion in die Schlacht der Sieben Hügel führte, um die Rebellion zu beenden, wurde er in der Nacht nach dem Kampf von einem weiteren Meuchelmörder so schwer verwundet, dass selbst seine eigenen Fähigkeiten nicht ausreichten, die Wunde zu heilen. Septimus überlebte nur knapp. Deshalb schickte der Erste Fürst die Kronlegion in den entlegensten Winkel des Reiches, ins Calderon-Tal. Offiziell sollte sie sich dort ausruhen und von den Verlusten bei den Sieben Hügeln erholen. Nur sein Singulare und Sextus wussten, dass Septimus in der Zurückgezogenheit genesen sollte.« Sie verzog das Gesicht. »Septimus wollte nach Alera Imperia zurück und den Gegner zu einer neuen Tat herausfordern - um aufzudecken, wer der Drahtzieher war. Doch Sextus schickte ihn nach Calderon.
Septimus gehorchte, gab sich aber nicht damit zufrieden, nur herumzusitzen und sich zu erholen. Er schickte auf eigene Faust Männer aus, denen er die Suche nach Antworten anvertraute. Und …«
Wie konnte sie über diese tausend Erinnerungen sprechen, über die Worte, die sie gewechselt hatten, davon, wie Septimus
zum Mittelpunkt ihrer Welt geworden war? Wie konnte sie schildern, was es bedeutet hatte, seine Hand zu berühren, seine Stimme zu hören, seinen Herzschlag zu spüren, wenn er schlief? Wie konnte sie ihnen begreiflich machen, was es für ein dummes Wehrhöfermädchen bedeutete, sich in einen so starken, so sanften und so liebenswerten Mann zu verlieben?
»Dort lernten wir uns kennen«, flüsterte sie. »Wir verliebten uns. Wir heirateten.«
Tavi starrte sie an, und seine Miene war nun keine mit Bedacht gewählte Maske. Er sah sie so an wie ein hungriges Kind seine Mutter. Er hatte gehungert. Sein ganzes Leben lang hatte er nach der Wahrheit gehungert, und erst jetzt sollte er gesättigt werden.
»Septimus erfuhr eine Menge über das Komplott, das man gegen ihn schmiedete«, fuhr sie fort. »Mehrere junge Männer seines Alters - er wusste nicht genau, wer - hatten sich verschworen, ihn zu beseitigen und das Haus Gaius vom Thron zu stürzen.« Sie schluckte. »Ich glaube, er hat vermutet, von dieser Gruppe sei auch der Marat-Überfall eingefädelt worden. Und ich glaube außerdem, dass sie ihn während der Schlacht angegriffen haben.« Erneut ließen die Tränen den Raum verschwimmen. »Sie haben ihn getötet.«
Sie holte tief Luft und zwang sich weiterzuerzählen. »Kurz bevor die Marat eintrafen, hat Septimus mich aus dem Lager geschickt, zusammen mit meiner jüngeren Schwester Alia und Araris als meinem Singulare. Ich war hochschwanger, und die Wehen setzten ein, ehe wir einige Meilen weit gekommen waren. Wir versteckten uns in einer Höhle. Es war eine schwierige Geburt. Alia half mir, starb jedoch an einer Pfeilwunde, die sie erlitten hatte. Dort wurde Octavian geboren. In einer Höhle. Während sein Vater gegen Eindringlinge und Verräter kämpfte und dabei starb, damit sein Sohn die Chance bekam zu überleben.«
Tavis Augen glänzten. Seine Miene änderte sich nicht, doch die Tränen rollten über seine Wangen.
»Ich war allein«, sagte Isana leise. »Abgesehen von Araris.
Und er konnte Octavian nicht vor den Verschwörern beschützen, die seinen Vater ermordet hatten. Sextus ebenfalls nicht. Er hatte nicht einmal seinen eigenen Sohn beschützt, und meinen würde ich ihm nicht anvertrauen.« Sie richtete sich unwillkürlich auf. »Also habe ich Octavian versteckt. Araris verstümmelte sein Gesicht mit dem Feiglingsmal, denn er wusste, darunter würde niemand nach Araris Valerian suchen, und verkaufte sich selbst in die Sklaverei. Ich kaufte ihn, und er half mir, im Wehrhof meines Bruders auf Tavi aufzupassen.« Sie streckte die Hand aus und legte sie ihm auf den Kopf. »Wir haben es niemandem erzählt, nicht einmal Octavian selbst. Es gab keine andere Möglichkeit, seine Sicherheit zu gewährleisten.«
Isana sah ihrem Sohn in die Augen und spürte seine Verbitterung, seinen lebenslangen Schmerz und seine neu erwachsene Furcht. Sie spürte seinen Zorn, und darunter, umhüllt und verborgen von vielen Gefühlen, seine Liebe. Einfach und stark, ein wenig gedämpft vielleicht, aber keineswegs erstickt.
Ihr Sohn hegte immer noch Liebe für sie.
Er war wütend und hatte Angst vor der Zukunft, und er trauerte um den Vater, den er verloren
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