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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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sie irgendwo zu erwarten? Ob Lith diese Möglichkeit in Betracht zog?
    Der Himmel zeigte sich verhangen, nicht ein Sonnenstrahl lugte durch die Wolkendecke. Je weiter sie flogen, desto schwüler wurde die Luft. In Matteos Mund herrschten wüstenartige Zustände. Gegen eine kleine Rast hätte er nichts einzuwenden, immerhin waren sie mit einem Proviantsack ausgerüstet.
    Er versuchte sich bemerkbar zu machen, aber Lith reagierte nicht auf seine Rufe. Hörte sie ihn nicht oder wollte sie nicht hören? Und keine Chance, den Abstand zwischen ihnen zu verringern. Schöner Mist, da ritt er auf einem fliegenden Waran und konnte ihn nicht antreiben. Wie ein Vierjähriger in einem dieser roten Flugzeuge vor dem Supermarkt, in dem man für einen Euro zwei Minuten auf- und abschaukeln konnte.
    »Jetzt flieg schon schneller, du blöde Echse.« Und mit einem Brüllen setzte er hinzu: »Lith, verdammt!«
    Diesmal hatte sie ihn gehört. »Was?«
    Sie steuerte ihren Schlangenläufer neben seinen. Wie lenkte sie das Vieh? Mittels Gedankenübertragung?
    »Durst, Hunger, Pause!«, schrie er und deutete nach unten.
    »Keine Zeit!«
    »Soll ich etwa vor Schwäche abstürzen?«
    »So schlimm? Wir haben gefrühstückt.« Damit brauste sie davon.
    »Hmpf, du mich auch.« Blöde Ziege .
    Sie flogen. Flogen. Flogen immer weiter.
    Irgendwann, eine Million Gedanken später, bequemte sich Lith zu Matteo und wies auf ein grünes Band, das sich ein gutes Stück vor ihnen durch den Laubwald wälzte.
    »Die Smaragdflüsse!«
    »Na endlich! Können wir bitte eine Pause machen? Ich muss mal!«
    »Eigentlich wollte ich noch die Flüsse queren!« Lith warf einen sorgenvollen Blick auf die Wolkenmauer zu ihrer Linken. Unheilvolles Bleigrau türmte sich am Himmel, beinahe Violett »Sieht nach Unwetter aus!«
    Das auch noch! »Ich halte es aber nicht mehr aus.« Peinlich. Wo es doch normalerweise die Mädchen waren, die ständig aufs Klo rannten.
    Sie verdrehte die Augen. »Gut, wir landen am Waldrand.«
    Warum sie Smaragd flüsse genannt wurden, erfuhr Matteo, als sie direkt davor zur Landung ansetzten. Es war nicht bloß ein Fluss, sondern gleich mehrere, fünf, nein, sechs Flussläufe nebeneinander, durch schmale Sandbänke getrennt, und sie waren tatsächlich grün. Wuchsen Algen darin, die das Wasser färbten?
    Sobald der Schlangenläufer zum Stillstand gekommen war, sprang Matteo ab und schlug sich ins Gebüsch.
    Als er wiederkam, hatte Lith ein Grinsen auf den Lippen. »Na, das war ja ein dringender Fall.« Sie hatte es sich bequem gemacht. Den Rücken an ihren Schlangenläufer gelehnt wühlte sie im Proviantsack und beförderte einen Laib Brot zu Tage. Sie brach ein Stück ab und hielt es ihm hin. »Hier, jetzt kannst du was essen.«
    »Danke, gleich. Ich geh mir nur mal eben die Hände waschen.« Bis zum Fluss waren es nur ein paar Meter.
    »Das würde ich nicht empfehlen. Das Wasser ist … nicht gesund.«
    »Was soll das nun wieder heißen?« Mit gerunzelter Stirn setzte sich Matteo zu ihr ins Gras und nahm das Brot entgegen.
    »Es heißt, das Wasser wird von Tränen gespeist.«
    »Wessen Tränen?«
    Sie schluckte. »Die all derjenigen, die unter Gewalt zu Tode kamen.«
    »Das glaubst du doch nicht wirklich? Wie viele müssten es sein, um ein Flussbett zu füllen? Niemand kann so viele Tränen weinen. Und wie sollten sie wohl in die Flüsse gelangen?«
    »So ist es aber«, beharrte sie.
    Matteo schüttelte den Kopf. »Das ist doch bloß Aberglaube. Die Menschen erzählen sich gern Schauergeschichten, das ist bei uns auch nicht anders.«
    »Glaub, was du willst. Ich hole dich jedenfalls nicht aus dem Fluss, wenn du darin versinkst.«
    »Nett von dir«, knurrte er. »Aber das brauchst du auch nicht, ich kann schwimmen.«
    »Das wird dir nicht viel nützen.« Sie nahm einen Schluck aus dem Trinkschlauch. »Die Traurigkeit zieht dich in die Tiefe.«
    Matteo prustete los und verschluckte sich beinahe an seinem Brot. » Die Traurigkeit zieht dich in die Tiefe . Weißt du wie das klingt? Wie in einem miesen Horrorfilm.«
    »Horrorfilm?«
    »Im Fernsehen oder Kino … ach ja, das kennt ihr hier nicht. Eine Geschichte, die Angst macht. Die Leute sehen sich so was zum Spaß an.«
    »Was ist spaßig daran, wenn man Angst hat?«
    Darauf wusste er im ersten Moment keine Antwort. »Na ja …«
    »Hattest du schon mal Angst, Matteo? Richtige Angst?«
    »Nein … ach, ich weiß nicht. Diese Filme sind ja in Wahrheit lustig, jeder weiß, dass es keine Geister

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