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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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und Monster gibt. Sie sollen eben unterhalten.«
    Lith schwieg und Matteo fiel auf, wie still es war. Kein Vogelzwitschern, kein Insektensummen, und das, obwohl sie inmitten unberührter Natur saßen. Noch nicht einmal die Schlangenläufer fauchten. Regungslos lagen sie da, wie ausgestopfte Schaustücke in einem Museum.
    Ein Donnergrollen ließ ihn aufsehen, der Himmel war kohlschwarz und die Luft inzwischen so schwer und dicht, als könnte man sie mit dem Messer schneiden. Ein Blitz zuckte in einem bizarren Lichtgeäst aus den Wolken, wieder hallte der Donner.
    »In letzter Zeit habe ich oft Angst«, flüsterte Lith ganz unvermittelt und mit ihrer zittrigen Stimme kletterte Beklemmung in Matteos Brust. Tief hinein, wo sie ihm den Atem absperrte.
    »Wovor?« Er nahm einen langen Atemzug.
    Sie hielt die Lider gesenkt, ihre fedrigen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen. »Vor den Geräuschen in meinem Kopf.«
    »Du hast Geräusche in deinem Kopf?« Ein Fall für den Seelenklempner?
    »Ein beständiges Pochen, wie Kopfschmerzen. Die Energie tausender Pulse.« Sie zupfte an ihren Handschuhen herum, genau wie am Vorabend. »Manchmal wird es übermächtig und ich … habe Angst, mich zu verlieren.«
    »Ich dachte, ihr nehmt den Puls nur über die Fascia wahr?«
    »Genau das ist das Problem. Ich bin irgendwie empfänglicher. Trotz der Handschuhe kann ich sie spüren.«
    Matteo berührte den schwarzen Stoff. Ja, eindeutig Latex. »Die sind nicht von hier, stimmt’s?«
    Lith sah auf. »Nein, aus der Splitterwelt. Dieses Material gibt es in Jandur nicht. Es ist dichter und schützt besser, aber eben nicht genug.«
    »Du hast sie gekauft?«
    »Nein. Ich habe sie, na ja, mitgenommen.«
    Gestohlen also. »Lith?«
    »Hm?«
    »Darf ich sie … sehen?« Matteo wusste selbst nicht, was ihn dazu bewog, sie danach zu fragen. Die Erinnerung an Anshos Fascia, an dieses schimmernde, verletzliche Etwas, spukte seit dem Vortag durch seinen Kopf. Ob ihre genauso aussahen? Wie rosa Schmetterlingsflügel?
    Lith starrte ihn wortlos an. Die Sekunden dehnten sich.
    »Deine Fascia«, setzte er hinzu, obwohl er schon merkte, wie sie den Bunker zu ihrer Seele wieder verschloss.
    Ein Blinzeln. Dann sog sie die Luft mit einem scharfen Atemzug ein und wandte sich ab.
    »Lieber nicht«, sagte sie im Aufstehen. Sie stopfte Brot und Trinkschlauch in den Proviantsack und zog den Riemen über die Schulter. »Wir sollten weiterfliegen, das Gewitter ist schon bedenklich nah.«
    Grelles Licht spaltete das Dunkel und das darauffolgende Krachen bestätigte ihre Worte. Zwei Regentropfen klatschten auf Matteos Handrücken.
    »Sollten wir nicht besser abwarten, bis es vorbei ist? Könnte gefährlich sein über dem Wasser …«
    Ein Sirren, ein schwarzer Schatten dicht an seinem Kopf, er fuhr herum. Im Baumstamm links von ihm blieb ein Pfeil stecken.
    »Verflucht!«, schrie Lith und schwang sich auf den Rücken ihres Schlangenläufers. »Nadors Männer! Los, los, weg!«
    Matteo schnellte hoch und saß auf. Sein Herz stotterte wie ein kaputter Motor. Weitere Pfeile schwirrten herbei und er duckte sich darunter weg.
    »Hiergeblieben!«, ertönte es hinter ihnen, doch auf Liths geheimen Befehl hin stiegen ihre Tiere bereits mit kräftigen Flügelschlägen höher.
    »Bleib dicht bei mir!«, rief sie.
    »Sag das der doofen Echse!«
    »Sag du es ihr!«
    »Und wie?«
    Der Pfeilhagel nahm kein Ende, Matteo presste sich an den Schlangenläufer, um nicht getroffen zu werden. Konnte es in Nadors Sinn sein, den Lichtpuls zu töten? Er schielte nach unten. An die zehn Soldaten, alle mit Bögen bewaffnet, visierten sie an.
    »Sprich mit ihr!«, drang Liths wenig nützliche Anweisung zu ihm nach hinten.
    »Ha! Sie versteht mich aber ni…!«
    Ohrenbetäubendes Poltern zerriss seine Antwort, anhaltend jetzt. Ringsum entluden sich Blitze, Wind fauchte auf und der Regen prasselte hernieder, als hätte jemand die Dusche angestellt.
    »Du musst es wollen!«
    Wollen? Nichts leichter als das . »Ich will ja!«
    »Nicht genug!«
    »Schneller, schneller!«, rief Matteo der Schlangenläuferdame zu, wohlwissend, dass er damit nicht das Geringste bewirkte. Sie hatte sich brav an die Schwanzspitze ihres Gefährten gehängt, leicht versetzt zwar, aber dennoch dahinter.
    Sie querten den ersten Flusslauf. Unter ihnen brodelte giftgrünes Wasser – verflixt, er wusste immer noch nicht, woher diese eigentümliche Verfärbung kam! – und er musste an Liths Gerede über die Traurigkeit denken.

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