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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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Bruderschaft. Hat den Vorteil, dass wir schlafen können, wo wir wollen.«
    Die Quellbruderschaft – er begann sie zu hassen. Das war keine Glaubensgemeinschaft, das war eine Sekte. Wie stellten sie es an, dass die Menschen ihre Dörfer verließen und sich ihnen anschlossen? Oder wurden sie gar verschleppt?
    Nebeneinander staksten sie auf das erstbeste Haus zu. Der Wind hatte den Sand am Gemäuer aufgetürmt und sogar im Dunkeln konnte man erkennen, dass das Gebäude verfallen war. Eine Ruine. Wände waren eingestürzt, Fensterscheiben fehlten und es gab keine Tür. Die Wüste hatte auch das Innere erobert, sie wateten knöcheltief im weichen Sand. Über ihren Köpfen glitzerten die Sterne. Kein Dach.
    »Toll«, sagte Matteo und schlang bibbernd die Arme um sich. »Lauschiges Plätzchen.«
    »Vielleicht finden wir ein besseres.«
    Nach kurzem Suchen fanden sie ein Haus, dessen Dach zumindest teilweise erhalten war. Wie die anderen Häuser auch, war es leer. Da waren keine Möbel und im offenen Kamin lag nicht ein Holzscheit. Nichts, womit sie Feuer machen konnten (was Matteo die Frage nach Streichhölzern ersparte).
    Sie schlugen ihr Lager in einer Ecke auf, wo der Sand zu einer flachen Düne aufgehäuft und es dadurch halbwegs bequem war. Es musste reichen.
    Lith wühlte im Proviantsack. Das Brot war aufgequollen und matschig. Sie rümpfte die Nase. »Das können wir vergessen.«
    Matteo nahm es ihr aus der Hand. »Was, wegen der Traurigkeit etwa? Ich habe aber Hunger.« Mit Todesverachtung biss er hinein und wurde mit faulig salzigem Geschmack belohnt. Widerlich. Dennoch schluckte er den Bissen hinunter, schon allein, um ihr zu beweisen, dass man nicht am Flusswasser starb.
    »Wieso ist das Wasser der Smaragdflüsse eigentlich salzig?«, fragte er. »Salzwasser? In einem Fluss?«
    »Ich sagte doch, dass sie von Tränen gespeist werden.«
    »Das kann ich einfach nicht glauben.«
    »Und glaubst du jetzt an deinen Puls?«
    »Das schon …«
    »An unsere Fascia? Den Soplex?«
    Er nickte.
    »Siehst du.« Lith holte ein Päckchen aus dem Sack. Es waren gebratene Fleischstücke, in Tücher gewickelt. Sie hielt Matteo eines hin. »Es sind Tränen, die Tränen der Toten. Und deshalb ist das Wasser salzig.«
    »Die grüne Farbe – du willst mir doch nicht erzählen, dass sie auch von den Tränen kommt?«
    »Unsere Tränen sind nun einmal grün«, sagte sie achselzuckend.
    Ja, das war ihm aufgefallen, in seinem Zimmer, als Lith geweint hatte. Er hatte sich darüber gewundert, aber nicht nachgefragt. Sein unsichtbarer Körper hatte ihn zu sehr in Anspruch genommen.
    »Meine auch?« Seine. Nun sah er Khors Körper glatt als seinen eigenen an. Er war nicht sicher, ob er das gut oder schlecht finden sollte. In jedem Fall machte es ihn wütend.
    »Das nehme ich doch stark an. Immerhin bist du ein Jandurianer.«
    Jandurianer. Es klang wie eine außerirdische Rasse. Willkommen an Bord der Enterprise! Scheiße noch mal!
    Der Zorn ging mit ihm durch und er fauchte sie an: »Bin ich nicht! Jandur ist nicht meine Heimat, ich gehöre nicht hierher. Ich stecke in einem fremden Körper, in dem ich nicht sein will. Ich weiß nicht, wessen beschissene Idee es war, mich da reinzustopfen, aber es wäre besser gewesen, mich einfach sterben zu lassen. Dann müsste ich jetzt nicht in dieser Sandkiste erfrieren.«
    Lith sagte nichts.
    »Ja, tu was du immer tust, halt den Mund! Bloß nicht reden. Eine gute Masche. Ich schätze, du hast irgendwie deine Finger in diesem kranken Spiel, ich weiß nicht genau wie, aber du hast mit der Geschichte zu tun. Du bist ein falsches Miststück!« Bevor er ihr noch mehr Grobheiten an den Kopf schleudern konnte, kostete er das Fleisch. Es war mit Wasser vollgesogen und noch ekelhafter als das Brot. Er spuckte den Brocken in hohem Bogen aus. »Pfui Teufel! Ich kann das nicht essen.«
    »Dann lässt du es eben bleiben«, gab sie patzig zurück und nagte ihrerseits an einem Fleischstück – ungeachtet des ach so gefährlichen Flusswassers. Höchstwahrscheinlich aus reinem Trotz.
    Verärgert ließ sich Matteo in den Sand zurückfallen und drehte Lith den Rücken zu. Das Brot lag ihm wie ein Eisklumpen im Magen. Hemd und Jacke waren inzwischen getrocknet, doch die Lederhose klebte als feuchter, eisiger Umschlag an seinen Beinen. Am liebsten hätte er sie ausgezogen, dann würde auch die Unterhose (Ha! Lachhaft, das Ding als Unterhose zu bezeichnen!) endlich trocknen.
    Er hörte Lith kramen und trinken.
    »Wasser.«

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