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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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Narbengewebe derartige Kräfte steckten. Und dass es solche Schmerzen hervorrief, wenn sie sich entfalteten. Jetzt noch pochte sein Bauch in Erinnerung daran.
    »Nummer zwei«, gab Lith bekannt und Matteo beeilte sich, sein Hemd überzuziehen. Wenn er es recht bedachte, hätte es eine Wäsche ebenso bitter nötig gehabt wie die Jacke. Allerdings sprachen zwei triftige Gründe dagegen: Lith zum einen, die hereinbrechende Dämmerung zum anderen. Es wurde kühl.
    Gleichzeitig kletterten sie aus dem Bach. Lith tapste barfüßig zum Gebüsch und angelte sich einen trockenen Zweig.
    »Kannst du dich mal nach Feuerholz umschauen? Ich werde unsere roten Freunde um Unterstützung bitten.«
    Matteo nickte und warf seine Jacke zum Trocknen über einen Ast. Sauber war sie nicht, doch das Ergebnis war zufriedenstellend. Zumindest hatte er das Gefühl, damit ein wenig Abstand zwischen sich und den Tod gebracht zu haben.
    Mit Holz sah es miserabel aus. Er sammelte drei, vier mickrige Äste, blickte wieder auf, weil Lith vor einem der Barcas ein Spektakel veranstaltete. Sie versuchte sich an einem rituellen Feuertanz, ihr Geheul hätte jeden Indianer aus dem Tipi gelockt. Mit grimmiger Miene hopste sie auf dem gesunden Bein auf und ab, wedelte mit Händen und Haaren, boxte in die Luft, jaulte und schrie. Ihr Opfer zuckte noch nicht einmal mit den Ohren. Das zweite Barca guckte sie schief an, am Ende konnte sie ihm aber nicht mehr als einen Rauchkringel entlocken.
    Matteo grinste. »Die husten dir was.«
    »Sieht ganz so aus«, seufzte sie resignierend. »Na ja, kann man nichts machen. Dann also roh.«
    Matteo musterte die glitschigen Fischleiber, die sie auf ein großes Blatt gebettet hatte. »Lecker.«
    »Brauchbare Ideen sind immer willkommen, junger Lord.«
    »Nenn mich nicht so. Das klingt total bescheuert.«
    Lith setzte sich zu ihm ins Gras. »Und wie klingt es aus Nadors Mund? Oder nennt er dich Sohn? «
    »Das ist fies, Lith. Echt fies.« Sie zog verständnislos die Augenbrauen zusammen. Bestens, jetzt musste er ihr auch noch die simpelsten Wörter erklären. »Gemein.«
    »Tja, so bin ich. Messer.«
    »Hm?«
    »Dein Messer. Bitte. Das Schwert ist so unhandlich beim Kochen.«
    Er reichte es ihr und beobachtete, wie sie die Fische filetierte, das hellrosa Fleisch von der Haut löste und es in mundgerechte Stücke schnitt. Das Ergebnis war ein Berg Sashimi – es sah richtiggehend appetitlich aus. Trotzdem konnte sich keiner von ihnen überwinden zu kosten.
    »Ich hab mal gehört«, sagte Matteo, »dass man Steine aneinanderschlagen kann. Um ein Feuer zu machen.«
    »Oh ja. Man kann. Aber es wird nicht viel bringen. Wir würden Zunder oder trockene Rinde brauchen. Irgendwas Brennbares, das den Funken auffängt und das Feuer entfacht. Und viel mehr Holz. Und andere Steine, nicht diese runden Kiesel aus dem Bach.«
    »Okay, okay. Ich hab’s kapiert.« Er nahm sich ein Stück Fisch, roch daran. Igitt. Das war ja noch widerlicher, als er gedacht hatte. »Und du bist sicher, dass man sie roh essen kann?«
    »Falls nicht, werden wir es schnell merken.« Lith biss in den Fisch. Kaum hatte sie geschluckt, fasste sie sich an die Gurgel und begann zu röcheln. »Ich steeeerbe«, ächzte sie, begleitet von wilden Zuckungen und Verrenkungen.
    Matteo gab ihr mit der flachen Hand einen Klaps auf den Hinterkopf. »Nicht lustig. Vor allem nach dem heutigen Tag.«
    Sofort war sie still.
    Der Fisch schmeckte besser als erwartet, und sie schlangen ihn in Windeseile hinunter. Satt wurden sie davon nicht. Matteo fragte sich, was sie am nächsten Tag essen würden. Und am übernächsten.
    »Lith? Wann werden wir den Palast erreichen?«
    »Du willst immer noch hin?«, fragte sie zögernd.
    »Was sonst?« Matteo zuckte mit den Schultern. »Ich will nach Hause. Wie ist mir scheißegal.«
    »Ich dachte nur, nach heute Morgen …«
    Er ging nicht darauf ein. Sie musste nicht wissen, dass er seinen Frieden mit Khors Körper geschlossen hatte.
    »Es … war einfach grauenvoll, verstehst du?«, erwiderte er. »Die vielen Soldaten, das Blut und ihre Schreie.« Ihr harmloses Geplauder von vorhin hatte ihn die Ereignisse fast vergessen lassen. Jetzt kamen die Bilder wieder hoch und mit ihnen ein seltsames Gefühl, das er nicht näher benennen konnte. Eine Mischung aus Hilflosigkeit und Zorn. Und ein wenig Angst. »Ich sehe sie vor mir und … Ich kann ihre Schreie nicht vergessen. Sie hängen in meinem Kopf fest.«
    »Kommt mir bekannt vor«, flüsterte sie.

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