Der Puppendoktor
gut dazu passen?«
Der kleine Mann dachte nach. Er hatte Juliettes Kopf auf den Tisch gelegt und betrachtete ihn aufmerksam. Wenn man eine Collage macht, überlegt man erst einmal, welche Wirkung, welchen Effekt man erzielen will.
Den Überraschungseffekt. Einen Sinn geben. Signifikanz, würde der Psy sagen. Was er brauchte, wäre ein Dicker, ein Fetter, ein richtiges Übergewicht, genau das war's, einen Kontrast zu diesem kleinen Kinderkopf. Und ganz winzige Ärmchen. Kleine Arme, ein kleiner Kopf und ein gewaltiger Körper, wie mit Helium aufgeblasen! Eine Art dicke menschliche Puppe. »Doggy Bag«, der neue Freund eurer Kinder!
Der kleine Mann verstaute Juliettes Kopf in der Gefriertruhe und verließ seine Wohnung auf der Suche nach dem geeigneten Exemplar.
Heute war wirklich die Hölle los. Die ganze Stadt ein einziger Stau. Tausende von hysterischen Hupen. Die Warteschlange für die Fähre zu den Inseln war mindestens hundert Meter lang. Man teilte hinterlistige Hiebe mit Kühltaschen an dralle Waden, mit Sonnenschirmen gegen fette Wänste aus.
Marcel gähnte. Bis zwei Uhr morgens hatte er mit Madeleine gestritten. Jetzt war er fix und fertig. Autobusse, die im Stau steckten, Motorradfahrer ohne Helm, Falschparker, alte Lüstlinge, junge Säufer, Clochards, pissomanische Köter, Kleptomanen: Dem Polizeibeamten Marcel Blanc war alles egal. Schlafen, sich ausruhen, das wollte er. Nach Alaska reisen, sich im Eis wälzen … Mein Gott, war der Typ dick!
Der Fettleibige überquerte mühevoll den Platz, watschelnd wie eine Ente. Das Fleisch wabbelte unter seinem überdehnten Hawaiihemd, der Bauch hing ihm über die Schenkel wie eine Schürze. Marcel beobachtete ihn, ohne es zu wollen, peinlich berührt, aber fasziniert. Er war nicht der Einzige.
Der Fettleibige lehnte sich an eine Wand, um wieder zu Atem zu kommen. Dann watschelte er weiter und ruderte mit den Armen, gewaltig wie Kalbshaxen in der Fleischauslage, wobei sein mit Konserven gefülltes Einkaufsnetz an sein monumentales Knie schlug.
Kleine braune Augen, lebhaft und neugierig, folgten dem Dicken. Dann hefteten sie sich nachdenklich auf Marcel. Für eine Sekunde flammte in dem braunen Blick eine boshafte, wirklich boshafte Freude auf, doch als Marcel, auf geheimnisvolle Weise alarmiert, sich nach ihm umdrehte, war es plötzlich nur noch ein lächelnder, freundlicher, völlig normaler Blick.
Marcel hatte sich rasch umgedreht. Das Gefühl, beobachtet zu werden. Ein unangenehmes Gefühl. Aber nein, alles war normal.
Der kleine Mann stieg auf sein Moped. Ich muss diesen Dicken kriegen. Sofort. Noch heute Abend. Diese wogende Fleischmasse. Diesen Berg auf zwei Beinen, diesen unglaublichen Haufen Rohmaterial. Ich muss …
»Ich fahre in die Werkstatt, bin bald zurück .«
Der Chef nickte, in Gedanken bei der Steuerprüfung, die er am Hals hatte.
Der Spur des Dicken war so leicht zu folgen wie der eines Walfischs in der Savanne. Der Mann überquerte mehrere Straßen, steuerte in seinem schwankenden Gang langsam auf die Tür eines alten Gebäudes zu und trat erleichtert in den Eingang. Natürlich schenkte er dem Mopedfahrer, der hinter ihm anhielt, keine Beachtung.
Er hieß Roger. Laurent Roger. Er war dreiunddreißig Jahre alt. Seine Mutter war vor zwei Jahren gestorben, in dem Jahr, als er hundertdreißig Kilo erreicht hatte. Inzwischen war er bei hundertzweiundvierzig Kilo angelangt. Er war nicht verheiratet, war es nie gewesen und hatte nie eine Frau »gekannt«. Er zog Dosenravioli vor.
Er begann die Treppe hinaufzusteigen und keuchte. Er wusste nicht, dass er sich das letzte Mal diese verdammten Stufen hinaufquälte. Aber wenn er es gewusst hätte, hätte es ihm vielleicht nicht besonders gut gefallen .
Marcel trocknete sich vor seinem Spind ab, nahm seine Kleider an sich und schielte im Spiegel auf seinen muskulösen Bauch. Kein Gramm Fett, sagte er sich zufrieden. Die gleiche Figur wie vor zwanzig Jahren. Von seinen nassen Haaren tropfte es angenehm kühl auf seinen Nacken. Er fühlte sich zugleich leicht und stark. Männlich. Jeden Montag ging er zum Karatetraining. Und dort hatte er sich mit Jean-Mi angefreundet. Jean-Mi hatte Jacky und Ben mitgebracht, und Ben hatte Paulo überredet beizutreten. Mehrere von Marcels Kollegen kamen ebenfalls, der Trainer war früher französischer Karatemeister gewesen.
Aus den Augenwinkeln sah Marcel, wie sich Jean-Jean unter der Dusche mit einem Typen von der Sitte, Rudy la Fouine, unterhielt. Marcel
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