Der Puppendoktor
königsblaue Jogginghose über die fetten Hüften. Er schnappte sich ein Bier.
»Wie steht's mit deinen Morden?«
»Wir schwimmen in der Bouillabaisse«, antwortete Marcel in dem vergeblichen Versuch, witzig zu sein. »Wir haben weder das Mädchen, die kleine Juliette, noch den Dicken gefunden. Keine Indizien. Kein Motiv. Wir tappen im Dunkeln.«
Ben kickte den Ball weg.
»Er muss doch irgendeinen Grund haben, das zu tun, dieser Verrückte, oder?«
»Vielleicht ist es wirklich ein Puzzle …«, murmelte Elsa, bei der diese Vermutung von Herblain, die in der Presse veröffentlicht worden war, feuilletonistische Talente geweckt hatte.
Paulo putzte seine verspiegelte Sonnenbrille.
»Und was ist mit dem Mond, habt ihr mal auf die Mondphasen geachtet?«
»Tut mir Leid, aber Morde bei Vollmond, das ist wie ein Lottogewinn am Freitag, dem Dreizehnten: eher selten, wenn du meine Meinung hören willst«, seufzte Marcel.
»Warum lasst ihr die Grünanlage nicht rund um die Uhr von mehreren Leuten bewachen? Dort sind doch alle Morde passiert, oder?«, beharrte Paulo und saugte an seinem Strohhalm.
Caro kam mit dem Zucker zurück.
»Allmählich macht man sich wirklich Sorgen um die Kinder.«
Marcel rührte ausgiebig in seinem Kaffee, bevor er antwortete:
»Um ehrlich zu sein, wir sind total überlastet. Zunächst mal ist Sommer mit dem üblichen Chaos, und dann ist die Verstärkung der CRS, der Bereitschaftspolizei, nicht eingetroffen … Jeanneaux will Ende der Woche seinen Korsika-Urlaub antreten, du kannst dir vorstellen, wie der gelaunt ist! Die Hälfte unserer Leute ist zur Strandüberwachung oder zur Verkehrsregelung abgestellt worden. Zu allem Überfluss sind die Vorstadtgangs zurückgekommen. Und da noch die Grünanlage bewachen .«
Jeder trank einen Schluck Kaffee. Caro stellte ihre Tasse ab.
»Trotzdem, so was hat es doch noch nie gegeben! Und dann die vielen Touristen!«
»In der Werkstatt haben wir im Moment nur ausländische Wagen.«
»Das wundert mich nicht, es wimmelt nur so von Deutschen.«
»Du vergisst die zweitausend amerikanischen Matrosen, die morgen in See stechen!«
»Hast du gehört, Elsa? Du musst dich rausputzen, es gibt Arbeit für dich!«
»Idiot!«
Mitten im allgemeinen Gelächter dachte Marcel bei sich, dass sich die Polizei wieder einmal lächerlich machen würde.
Samstagnacht torkelten drei betrunkene Matrosen durchs Hafengelände, johlten »I will survive« und fingen an, mit etwas, das aussah wie ein großer Ball, American Football zu spielen. Auf Grund ihres Alkoholpegels brauchten sie eine Weile, um festzustellen, dass Bälle, selbst wenn sie geplatzt sind, nicht nach verdorbenem Fleisch stinken.
Es versteht sich von selbst, dass der Teil des Hafens, in dem die Matrosen das »Ding« gefunden hatten, zu Marcels Bezirk gehörte. Als er um sechs Uhr morgens seinen Dienst antreten wollte, stürzten ihm drei Matrosen mit wirrem Blick entgegen, die etwas Unverständliches brüllten. Marcel folgte ihnen. Sie führten ihn zu einem Fleischberg, aus dem eine gelbliche Flüssigkeit sickerte.
Diesmal erbrach sich Marcel nicht auf seine Schuhe. Das war übrigens auch nicht nötig, die Matrosen hatten schon alles voll gekotzt.
Doc 51 hielt mit seiner krakeligen Schrift in seinem Bericht fest, dass das Opfer aus folgenden Teilen bestand: aus einem fettleibigen, mit Krampfadern übersäten Körper, aus dem Kopf eines kleinen Mädchens, sorgsam gekämmt, die Augen geöffnet und geschminkt, Lidschatten und Mascara, aus zwei kleinen Hundepfoten anstelle der Arme.
Letztere Information, von der nur der Mörder selbst wissen könnte, wurde nicht veröffentlicht, damit man die Fälle von Denunziantentum und falschen Geständnissen leichter aussortieren konnte. Andererseits war es schwer, der Mutter der kleinen Juliette zu erklären, warum es sinnlos war, ein Kleidchen mitzubringen, um es dem Körper anzuziehen.
Jean-Jean war vor Wut so still, dass man eine Fliege im Dienstraum hätte fliegen hören. Und man hörte tatsächlich ein ganzes Bataillon summen, das offenbar den Angriff von Pearl Harbour nachspielte, auf Armen und Lippen landete, nervtötend und gejagt von Melanie, Jean-Jeans Sekretärin, die, mit ihrer zusammengerollten Marie-Claire bewaffnet, sie so geräuschlos wie möglich zu erschlagen versuchte, um ihren Chef nicht noch mehr zu reizen.
»Hören Sie endlich auf, hinter diesen verdammten Fliegen herzujagen!«, brüllte Jean-Jean plötzlich.
Die junge Frau blieb abrupt stehen
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