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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Eine misslungene Imitation seiner eigenen Stimme, deren Klang ihm Übelkeit verursachte. Er kniff die Augen zusammen: Schon war der lichte Moment vorbei.
    Er erhob sich und holte sich pfeifend ein Bier. Auf dem nackten Bauch des Mädchens schmolz das Eis. Er kratzte ein wenig zusammen, gab es in sein Glas und trank.
    Marcel konnte sein Glück kaum fassen! Nadja hatte ihn angelächelt. Sie hatte ihn angelächelt! Er hatte gerade Anlauf genommen, um einem Gör zu folgen, das vor seinen Augen ein Mofa klaute, na ja, und da war er auf einem Hundehaufen ausgerutscht. Er war hingefallen, und seine Mütze war über den Asphalt gerollt. Nadja war stehen geblieben, hatte sie aufgehoben und sie ihm lächelnd gereicht. Die Kinder im McDonald's brüllten vor Lachen, aber sie, sie hatte einfach gelächelt.
    »Vielen Dank«, hatte Marcel gesagt und seine Mütze wieder aufgesetzt.
    »Es war mir ein Vergnügen«, hatte Nadja mit einem leichten ausländischen Akzent und einem Anflug von Belustigung geantwortet.
    Dann war sie gegangen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Paulo, der gerade am Taxistand parkte, klopfte ihm auf den Rücken.
    »Etwas weniger Diensteifer, sonst wirst du dir noch ein Bein brechen!«
    Jean-Mi, der auf der Cafe-Terrasse bediente, schwenkte seine weiße Serviette vor dem Gesicht wie einen Tschador und deutete kurz einen Bauchtanz an.
    »Wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken? Du gehst mir wirklich auf die Nerven, Marcel!«
    Madeleine räumte schimpfend den Tisch ab. Marcel hörte sie nicht. Weg von hier, abhauen, eine Weltreise auf einem Einhandsegler mit Nadja .
    »Bring den Mülleimer runter! Damit du wenigstens zu etwas nützlich bist!«
    Tony Costello schob sich über den glühend heißen Bürgersteig. Unmöglich, im Auto voranzukommen, die Stadt war ein einziger Stau. Ohne sein Spiegelbild in den Schaufensterscheiben zu beachten, ging er von Tierarzt zu Tierarzt, in der Hand hielt er das blaue Heft, der vergoldete Kugelschreiber steckte in der Brusttasche seines weißen Hemds. Wie sollte er diese Musik »Nebel, steigt auf! Ergießt eure lange, eintönige Asche, die gedehnten Dunstfetzen in die Lüfte .« in die Sprache Homers übersetzen?
    Ramirez schwitzte und fächelte sich mit seinem Notizheft, auf dem Formel-1-Wagen prangten, Luft zu. Der einzige Vorteil dieser Untersuchung bestand darin, dass er die kleinen Ausländerinnen beobachten konnte, die Mädchen in Shorts oder Miniröcken, und da noch dazu in diesem Jahr elastische Stoffe in Mode waren, trugen sie darunter kein Höschen.
    Er strich seufzend über sein Brusthaar und stellte sich vor, wie er eine kleine Ingrid oder Glenda zu einer Pizza einlud. Natürlich war er in diesem Tagtraum weder Vater noch verheiratet. Vielleicht Witwer. Und er hatte eine Junggesellenbude, in der sich Glenda oder Ingrid lächelnd vor dem großen Spiegel ausziehen würden.
    Kinder mit Rollerblades rempelten ihn an und zerstörten den Zauber des Augenblicks. Das Bild der süßen Mädchen wurde durch den mit Lockenwicklern gespickten Kopf von Madame Ramirez verdrängt. Sie lag in ihrem rosa geblümten Morgenmantel in einem Krankenhausbett und sah ihn vorwurfsvoll an. »Nicht du, Raymond!« Er schüttelte sich. Im Moment hatte er nur dumme Gedanken.
    Im Tierheim gab man ihm eine Liste der in den letzten zwei Monaten aufgenommenen Tiere. Darunter waren nur zwei Chihuahuas.
    »Da diese Hunde wenig laufen, gehen sie auch nur selten verloren«, erklärte der Verantwortliche, ein Mann namens Martin, Luc Martin.
    »Und wo sind diese Tiere jetzt?«, erkundigte sich Ramirez und versuchte, dem Blick eines alten, Mitleid erregenden Köters auszuweichen, der die Schnauze durch die Gitterstäbe steckte.
    »Hin!«, lautete die Antwort. »Im Hundeparadies. Die vorgeschriebene Zeit war abgelaufen.«
    »Keine schöne Arbeit, die Sie da machen«, sagte Ramirez und stellte sich eine blitzsaubere Miniatur-Gaskammer vor, in der sicher auch dieser Köter landen würde.
    »Es ist nicht so, dass uns das Spaß macht, aber wir sind dazu verpflichtet!«, antwortete Martin, der ein guter Kerl zu sein schien.
    Er war weder groß noch dick noch mager, sein Haar war dünn und das Kinn eckig, er trug Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck Nice Jazz Festival 97.
    »Sind Sie ein Jazz-Fan?«, fragte Ramirez aus reiner Höflichkeit.
    »Wie? Ach so, das T-Shirt, das hat mir eine Freundin geschenkt«, antwortete Martin mit selbstgefälligem Lächeln.
    »Nein, mir ist der nu-skool-Stil lieber«, fuhr er

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