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Der Puppendoktor

Der Puppendoktor

Titel: Der Puppendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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und kehrte dann mit Trippelschritten zu ihrem Schreibtisch zurück. Das war nicht der geeignete Augenblick, um über eine Gehaltserhöhung zu reden.

KAPITEL 4
    Es wurde immer heißer. Die Stadt wälzte sich im Dunst, der vom Meer aufstieg, und schwitzte wie eine alte, fette Frau. Marcel spürte den Schweiß unter seinen Armen, spürte, wie er über seine Hüften, seine Schenkel bis in die Sandalen rann. Eine Gratis-Sauna! Wie gut, dass er nicht in Uniform war.
    An diesem Wochenende des fünfzehnten August - neben Pfingsten das betriebsamste des Jahres - waren die Touristen in Scharen eingefallen. Marcel stützte sich auf die blaue Eisenbrüstung und betrachtete die jungen Skandinavier, sonnenverbrannt, die Literflaschen am Mund, die unten am Strand Rotwein tranken. Am Abend würden sie übersät sein von Blasen, die aufplatzen würden, während sie sich fiebrig in den rauen Laken wälzten.
    Seine Augen suchten Madeleine und die beiden Kleinen. Vor dem Hintergrundgeräusch von Kindergebrüll, Hundegebell, Radiolärm, dem Klatschen der Tischtennisschläger und dem Dröhnen der Außenbordmotoren schmorten Hunderte von Familien in der Sonne. Plötzlich sah er sie. Nadja.
    Ein Kind mit Krauskopf an der Hand, lief sie lachend in die Gischt, Wassertropfen schimmerten auf ihrer dunklen Haut und ihren runden Hüften … Ein kräftiger Schlag auf den Rücken ließ ihn zusammenfahren.
    »Bist du blind oder was? Ich mache dir schon seit einer Stunde Zeichen!«
    Madeleine starrte ihn an, sie war wütend, die Haut gerötet und mit einer dicken Schicht Monoi-Sonnenöl eingerieben. Marcel seufzte und ging zum Strand hinab, um seinen freien Nachmittag mit den Kindern zu verbringen.
    Hinter einer Sonnenbrille verborgene braune Augen folgten Marcels Blick und verweilten auf Nadja und dem Kind. Na sieh mal einer an … Ganz schön interessiert, unser kleiner Marcel … wäre eigentlich lustig, so ein Mosaik aus Schwarz, Weiß, Gelb, die große Versöhnung der Rassen im ewigen Frieden, eine gute Idee, wirklich eine gute Idee!
    Nadja hob den Jungen hoch, der sie nass spritzte und vor Vergnügen jauchzte. Marcel ging in seinen fuchsienroten Bermudashorts stocksteif und unbeholfen an ihnen vorbei, doch sie sah ihn nicht. Vergeblich sprang er mit einem meisterhaften Kopfsprung ins Wasser, vergeblich kraulte er fünfzig Meter und schluckte Wasser, um dann auf seinem sandigen Handtuch Madeleine gegenüberzusitzen, die ihn aufforderte, sich mit der klebrigen Sonnencreme einzuschmieren, und den Kindern, die an seinen Beinen zerrten und plärrten: »Spiel Ball mit uns!« Die neonfarbenen Segel der Surfbretter schimmerten auf dem glatten Meer. Ein Ozeandampfer tutete. Eine Frisbeescheibe landete auf seiner Nase. Wirklich ein schöner Sommer.
    Ein glühend heißer Sommer. Der Laborant Alfred war nackt unter seinem weißen Kittel, einem Kittel, der ihm unweigerlich Sticheleien seitens der Besucher einbrachte. Ramirez, der die Tür mit einem kräftigen Fußtritt öffnete, blieb dieser Tradition treu:
    »Oh, Alfred, wie schön bist du in deinem Brautkleid, hast du heute Abend Zeit?«
    Alfred sah Ramirez voller Überdruss an. Wenn es unter den Schlimmen einen Schlimmsten gab, dann war das Ramirez.
    »Na, mein Hübscher, was gibt's Neues?«, erkundigte sich dieser mit einem übertriebenen Augenzwinkern.
    Alfred kratzte sich am Kopf.
    »So sehr es dich auch wundern mag, Einstein, nichts! Aber sag mal, kann man heutzutage mit einer Krawatte voller nackter Mädchen zur Arbeit erscheinen? Die Dienstvorschriften werden auch immer lockerer!«
    »Ganz und gar nicht, du verstehst das nicht, das ist fun, mein Freund, F-U-N, musst sonntags mal ausgehen, ich bin fun und nicht so ein ranziger Blaustrumpf wie du!«
    »Vor allem aber bist du ein Witzbold. Bei dem Hund handelt es sich um einen Chihuahua. Davon laufen hier nicht so viele rum. Vielleicht kann man den Besitzer ausfindig machen.«
    »Und wozu?«
    »Man kann ja nie wissen, vielleicht ist der Verrückte jemand aus seinem Bekanntenkreis.«
    »Ach ja? Glaubst du?«
    »Du strapazierst deine Gehirnwindungen zu sehr, Ramirez, darum bist du so erschöpft! Also, ciao!«
    Ramirez spuckte das Streichholz aus, auf dem er kaute, und ließ seine Wurstfinger knacken.
    »Der Hund, was? Na, ich werde sehen.«
    Er wandte sich schwerfällig ab, öffnete die Tür und konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen:
    »He, Süße, trägst du keinen BH?«
    Sein Gelächter hallte im Treppenhaus wider, während Alfred sich

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