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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Berserker, ihm damit die letzten funktionsfähigen Hirnzellen zu Klump schlug, wie Erich das ausdrückte, und sich andererseits weigerte,ihn in eine geschlossene Anstalt zu geben, wo er nach Erichs Meinung spätestens seit seinem vierzehnten Lebensjahr hingehörte.
    Erich argumentierte mit dem Begriff Nachahmungstäter, den auch Thea Kreßmann gerne auf Ben anwendete. Dabei dachte Erich nicht an die junge Artistin. Dass Ben ihrem Sterben zugeschaut hatte, wusste er ebenso wenig wie Antonia. Nur Gerta Franken war Zeugin des Geschehens jener Augustnacht gewesen. Damals hatte man ihr nicht geglaubt, und heute konnte man sie nicht mehr fragen. Erich dachte nur an Hühner und wollte seine Hand ins Feuer legen, dass Ben mehr als einmal gesehen hatte, wie ein Körper aufgeschlitzt und ausgenommen wurde. Schließlich lebte er seit seiner Geburt auf einem Bauernhof und nicht in einer Sakristei. Und Ben musste doch nur einmal sehen, dass jemand einen Handgriff ausführte, schon machte er ihn nach.
    Erich und Thea, es war die richtige Mischung. Bedauerlich, dass Erich sich damals eingebildet hatte, sie würden nicht zueinander passen. Antonia fand, sie hätten vortrefflich harmoniert und glatt eine neue Partei gründen können. Maria hätte dann eben Bruno Kleu genommen oder besser noch Heinz Lukka, der sie ja auch heftig verehrt hatte.
    Heinz Lukka wäre im Gegensatz zu Bruno Kleu kaum einmal die Hand ausgerutscht. Er wäre auch gewiss nicht auf den Gedanken gekommen, fremdzugehen oder ein junges Mädchen wegen einer Sechs in Mathe in seinem Zimmer einzuschließen, wie Erich es getan hatte. Vermutlich hätte Heinz Marlene dreimal in der Woche nach Lohberg gefahren und auf dem Parkplatz beim «da capo» gewartet, bis ihr vom Tanzen die Füße schmerzten. Auf Händen hatte er sie getragen, zusammen mit Maria. Der Altersunterschied – ach Gott, was machten ein paar Jahreschon aus? Antonia hatte noch nie bereut, einen zwanzig Jahre älteren Mann geheiratet zu haben.
    Junge Männer hatten auch ihre Tücken, speziell wenn sie sich in der Politik engagierten und sich für ihre Ansichten das sozial-demokratische Mäntelchen umhängen durften. Für solche wie Ben sei die Allgemeinheit zuständig, derartig schwere Fälle dürften nicht einem einzelnen Elternpaar aufgebürdet werden. Mit dem Satz hatte Erich Jensen seine Schwägerin mehr als einmal auf die Palme gebracht. Ein paarmal hatte Antonia geantwortet: «Sei doch froh, dass Trude ihn daheim hält. Bei euren Defiziten in der Stadtkasse.»
    Nur gingen ihr rasch die Argumente aus, wenn Erich die seinen anführte. Für die Kosten einer Heimunterbringung war nämlich der Landschaftsverband zuständig und nicht die Stadtkasse. So konnte Erich seine Trümpfe ungeniert ausspielen. Erbarmen mit einer geplagten Mutter, deren Gesundheit nicht die beste war, wie er zur Genüge wusste. Reichte er Trude doch meist persönlich die diversen Herzpillen, das Nitrospray und die blutdrucksenkenden Mittel über den Verkaufstisch. Verständnis für einen zum Jähzorn neigenden Vater, den die Kapriolen seines Sohnes an den Rand der Verzweiflung trieben. Und nicht zuletzt Mitleid mit der armen Kreatur, die zwischen Gut und Böse nicht unterscheiden konnte, die ein Recht hatte auf ein friedlich geregeltes Leben hinter dicken Mauern, die man als verantwortungsbewusster Bürger vor dem Schaden bewahren musste, den sie sich bei der Freiheit in Feld, Wald und Wiesen zuziehen oder den sie anrichten konnte.
    Dass in Feld, Wald und Wiesen ein anderer herumlaufen könnte, wollte Erich nicht wahrhaben. Dabei war er meist die erste Adresse, wenn es galt, Gerüchte über Bruno Kleu auszustreuen. Aber ehe er einen Ton überBruno hätte verlauten lassen, hätte Erich sich eher die Zunge abgebissen. Bruno hätte sich revanchieren können, und der Skandal wäre perfekt gewesen.
    Dass Heinz Lukka im Oktober 69 in Gerta Frankens Garten alles andere als eine Vergewaltigung verhindert hatte, wusste Erich Jensen zur Genüge. Antonia wusste auch, dass Maria damals verrückt nach Bruno gewesen war. Daran hatte sich nie etwas geändert. Deshalb wusste Antonia auch, dass Maria einen triftigen Grund gehabt hatte, ihrer Tochter einzureden, Dieter Kleu sei nun wirklich nicht der richtige Umgang für sie. Wer wollte denn eines Tages einen Enkel in den Arm gelegt bekommen, aus dem eventuell ein zweiter Ben wurde?
    Maria hatte in den ersten Jahren ihrer Ehe die gleichen Schwierigkeiten gehabt wie Trude. Sie wurde einfach nicht

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