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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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verdammt schlechtes Jahr, das hörte man von Richard Kreßmann, von Bruno Kleu, von Toni von Burg, das hörte man von allen. Ein verdammter Sommer, in jeder Hinsicht.
    Dort, wo das Maisfeld begann, machte der Weg eine leichte Kehre. Paul verlor Tanja vorübergehend aus den Augen, ging ein wenig schneller und erreichte die Rückseite von Lukkas Grundstück. Der Bungalow versperrte die Sicht auf den breiten Weg. Aber er hörte sie reden, nicht mehr so aufgebracht wie vorhin. Eher unbekümmert und leichthin, wie es sonst ihre Art war, grüßtesie Heinz Lukka. Der erwiderte ihren Gruß charmant: «Ebenfalls einen guten Tag, kleines Fräulein. Heute mal allein unterwegs?»
    Ihre Antwort klang ein wenig schnippisch. «Nein, Onkel Paul ist hinter mir. Er meint, ich brauche einen Bodyguard.»
    Paul ging weiter und bog um die Ecke. Sie hatten seine Schritte beide gehört und schauten ihm entgegen.
    «Da kommt er ja», sagte Heinz Lukka lächelnd und stützte sich auf den Stiel einer Harke, mit der er im Vorgarten beschäftigt war.
    Nach einem kleinen Geplänkel mit Heinz Lukka, das sich um die unerträgliche Hitze drehte, ging Paul mit ihr zusammen weiter. «Hast du dich beruhigt», fragte er.
    Sie lachte verlegen. «Es war nicht böse gemeint. Ich finde nur, es kann nicht schaden, wenn ich ein paar Tage bei Ben bin.»
    Als sie ihr Elternhaus erreichten, blieb Paul stehen. «Dann lauf», sagte er. «Und pass gut auf dich auf.»
    «Mach ich!» Es klang wieder ein bisschen Trotz durch. Aber auch diesmal war es nicht so gemeint. Sie reckte sich auf Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. «Komm doch mit rein. Papa freut sich bestimmt.»
    «Heute nicht», meinte Paul. «Ein andermal.»
    Er schaute ihr nach, wie sie zur Tür lief und sich noch einmal nach ihm umdrehte, schaute sie sich genau an; das hübsche Gesicht umrahmt von den dunklen Haaren, die sonnengebräunten Arme und die runden Schultern. Die Schultasche baumelte an ihrer Seite. Nicht auszudenken, wenn so einem Kind etwas zustoßen sollte. Bis ans Lebensende müsste man sich quälen, dass man nicht alles getan hatte, es zu verhindern. Es wurde Zeit, dass jemand ein offenes Wort mit der Polizei sprach.
    Er schlenderte am Bendchen und am Bruch entlang zurück und nutzte die Zeit für ein paar Überlegungen, bei denen er sorgfältig abwog zwischen Freundschaft, eigenen Erfahrungen und den Spekulationen.
    Alles in ihm sträubte sich gegen die Vorstellung, dass ein Mann wie Bruno Kleu, an dessen Seite er jahrelang gearbeitet, mit dem er gelacht, geschwitzt, Milchkaffee und Bier getrunken hatte, über wehrlose Mädchen herfallen sollte, wenn sie ihm allein über den Weg liefen. Gut, er hatte Bruno selbst zweimal energisch in die Schranken verweisen müssen, weil er Maria nicht in Ruhe ließ. Aber damals war Bruno achtzehn gewesen, später hatten sie beide darüber gelacht.
    Dass Bruno letztlich doch auf seine Kosten gekommen war, wusste Paul nicht. Es gab Dinge, über die sprach seine Schwester nur mit Antonia. Aber als sie gemeinsam darüber lachten, hatte Bruno eine komische Bemerkung gemacht. «Schon gut, Paul. Immer nur Maria wäre auf Dauer langweilig geworden. So kann ich mir doch hin und wieder ein Zuckermäuschen vornehmen.»
    Zuckermäuschen! Paul wusste nicht, was er davon halten sollte. Vornehmen, das klang auch eher nach einer Schlägerei als einer Affäre. Und dass einer, der als gutmütiger Tölpel an seinem Tisch saß und um Freundlichkeit bettelte, sich in eine Bestie verwandelte, wenn ihm ein junges Mädchen unfreundlich kam, wollte ihm noch weniger in den Sinn. Nur hatte Antonia Ben nie beigebracht, auf Unfreundlichkeit gelassen zu reagieren.
    Es wurde wirklich höchste Zeit, mit der Polizei zu sprechen. Nicht mit denen in Lohberg, da funkte Erich nur wieder dazwischen. Die Kriminalpolizei musste her, fand Paul. Sie hatten die Möglichkeit zu prüfen, ob Edith Stern auf dem Heimweg war.
    Er wollte keine Anschuldigungen erheben, wollteweder Renate Kleu und ihren Söhnen noch Trude und Jakob den Boden unter den Füßen entziehen, nur klare Verhältnisse wollte er schaffen. Doch als Paul Lässler sich endlich zu seinem offenen Wort aufraffte, hatte er selbst keinen Boden mehr unter den Füßen.

FRIEDENSZEIT
    Paul hatte sich häufig gefragt, mit welcher Berechtigung oder Gewissheit Thea Kreßmann die Behauptung in die Welt gesetzt hatte, Ben habe Ursula Mohn verletzt. Ob vielleicht irgendjemand vom Kreßmann-Hof Ben an dem Nachmittag im Bruch

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