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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Schulter und Hand, neben Trude auf der Couch.
    «Und der Köter?», fragte Jakob. «Ich meine, wo er es jetzt einmal getan hat, wird er es bestimmt wieder tun.»
    «Nein», sagte Heinz Lukka. «Er tut keinem mehr was. Ben hat ihm das Rückgrat und das Genick gebrochen.»
    Aber das wusste Ben nicht. Von dem Tag an betrat er Lukkas Haus nicht mehr. Und das wussten einige – beispielsweise die alte Frau im Garten, die Nicole Rehbach beruhigte.

27.   AUGUST 1995
    Es war kurz vor zehn Uhr am Abend. Trude hatte Tanja hinaufgeschickt, sich die Zähne zu putzen und ins Bett zu gehen. Anschließend wollte sie Ben suchen, Jakob bestand darauf. Von seiner Jüngsten hatte Jakob erfahren, dass Ben Britta Lässler noch ein Stück begleitet, wahrscheinlich bis vor die Haustür gebracht hatte.
    Jakob befürchtete, dass Paul auf die Begleitung seiner jüngsten Tochter anders reagiert hatte, als Ben es von ihm gewohnt war. Trude befürchtete ganz andere Dinge. Und noch hatte man draußen einen Rest Tageslicht, nicht mehr lange, und es war stockfinster. Zur Sicherheit steckte Jakob eine starke Taschenlampe ein, die im freien Feld nicht viel helfen würde.
    Tanja kam noch einmal herunter auf einen letzten Gutenachtkuss für Jakob und küsste auch Trude flüchtig auf die Wange. Jakob ging zur Haustür. Er kam noch einmal zurück, als das Telefon klingelte.
    Es war Paul, der sich in erzwungen leichtem Ton erkundigte, wann seine Kleine denn ans Heimkommen denke. Trude sah, dass Jakob sich auf die Lippen biss und bleich wurde. Sein Adamsapfel ruckte auf und ab. Er schloss die Augen und würgte hervor: «Ist sie noch nicht da, aber sie ist doch um acht   …»
    Mehr hörte Trude nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass es für die inneren Nöte noch eine Steigerung geben konnte.Vielleicht war es auch keine Steigerung. Vielleicht war nur der Gipfel erreicht und wurde nun überschritten. Hinter dem Gipfel ging es steil bergab auf das Ende zu. Und bergab ging es so rasend schnell, wie ein Meteorit durch den Weltraum flog. Rechts und links keine Sonnen mehr, keine Sterne, nicht die Löcher des Alls, nur noch grell flackernde, langgezogene, unendliche Streifen.
    Als Trude den Blick endlich von diesen Streifen abwenden konnte, hatte Jakob den Hörer längst aufgelegt, stand mit wachsbleichem Gesicht vor ihr im Hausflur, schabte mit den Füßen über den Boden, räusperte sich wieder und wieder, weil er kaum ein Wort durch die Kehle brachte. Dann sagte Jakob, was Trude längst wusste. «Britta ist nicht heimgekommen. Paul will eine Suchmannschaft zusammenbringen, jetzt sofort, vielleicht kann man noch etwas retten.»
    Jakob drehte sich der Treppe zu, an deren Fuß Tanja stand und mit ungläubigen Augen zu den Eltern hinsah, während sie flüsterte: «Aber Ben ist doch mit ihr gegangen.»
    «Du gehst jetzt in dein Zimmer», befahl Jakob. «Schließ die Tür von innen ab. Schieb das kleine Schränkchen vor, klemm einen Stuhl zwischen das Schränkchen und das Bett. Und egal, was passiert: Du machst die Tür erst wieder auf, wenn ich davor stehe. Ich und sonst niemand. Hast du mich verstanden?»
    Trude konnte nicht einmal mehr vor Entsetzen oder Entrüstung die Augen aufreißen. Sie ließ den Kopf hängen, betrachtete die Finger und blutigen Fetzen, die sich im Abgrund zu ihren Füßen häuften. Und plötzlich sah sie einen Balken. Es gab viele Balken in der Scheune. Sollte Ben wirklich   … Sollte er eingesperrt werden, wo dann andere für ihn sorgten, wusste Trude, was sie zu tun hatte.
    Jakob ging durch das Haus, von Zimmer zu Zimmer, ließ die Rollläden hinunter, ging in den Keller, schloss dort sämtliche Fenster und befestigte die Gitter davor. Zuletzt versperrte er die Kellertür, durch die Ben immer ins Haus kam.
    Trude hörte, wie ein Riegel, ein Schloss nach dem anderen einschnappte, und innen war alles hohl und dunkel. Als Jakob zurück in den Hausflur kam, schlich sie hinter ihm her ins Freie, schaute ihm zu, wie er die Haustür absperrte, und hatte Mühe, wenigstens den oberen Teil der Lunge mit frischer Luft zu füllen.
    «Das hätte er nicht getan! Das nicht! Ein Mädchen aus Lohberg, das er nicht kannte. Erichs Tochter, die ihn wahrscheinlich angebrüllt hat. Die junge Amerikanerin, die ihn vermutlich auch beschimpft hat. Das könnte vielleicht sein. Aber nicht Britta! Er hat sie als Baby im Arm gehalten. Er hat sie auf seinem Rücken reiten lassen. Sie ist doch für ihn wie seine Schwester.»
    Sie wusste nicht, ob sie es nur dachte

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