Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Schwester und Britta Lässler begleitete. Möglich, dass er ihn irgendwann in der Nachthatte holen wollen, aber die Türen und Fenster waren alle geschlossen gewesen.
    «Wo ist das Mädchen?», fragte Jakob noch einmal.
    «Freund», nuschelte Ben mit geschwollenen Lippen und vom Blut verstopfter Nase.
    Tanja schimpfte ohne Unterbrechung, Jakob solle mit dem Blödsinn aufhören. Er solle sich lieber um die kümmern, die Ben geschlagen hätten.
    «Das war er», sagte Trude teilnahmslos. «Er hat ihn immer so furchtbar geschlagen. Es ist alles nur seine Schuld. Sibylle hat damals gesagt, mach einen Hund scharf, und du hast einen Beißer. Er hat ihn scharf gemacht.»
    Trude hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als Tanja mit beiden Fäusten auf ihren Vater losging. Im ersten Augenblick war Jakob viel zu überrascht, um sie von weiteren Schlägen abzuhalten. Dann hielt er ihr die Handgelenke fest, atmete tief durch und erklärte ihr, was er und viele andere in den letzten Stunden getan hatten und was draußen vor der Haustür lag. Danach war es eine Weile still in der Küche.
    Tanja weinte. «Ich hätte mitgehen sollen.» Dann erhob sie Vorwürfe gegen Jakob. «Warum bist du nicht mit ihr gegangen? Onkel Paul hat mich auch nicht alleine gehen lassen.» Anschließend wollte sie sofort zu Onkel Paul, weil der sie jetzt nötiger brauchte. Aber zuerst musste sie mit Ben reden, weil er wissen musste, was mit Britta passiert war. «Wo ist sie? Du warst doch bei ihr.»
    «Rabenaas», murmelte Ben noch einmal.
    Jakob nickte voller Bitterkeit. «Da hörst du es.»
    Was Jakob sagte, beachtete sie nicht. Mag sein, dass sie ihren Bruder besser verstand als alle anderen, weil Kinder ihre eigene Sprache haben und der Phantasiedreizehnjähriger Mädchen keine Grenzen gesetzt sind. Sie schaute Ben ins Gesicht, die Augen weit aufgerissen, die Lippen zitterten. Dann drosch sie plötzlich mit beiden Fäusten auf ihn ein, trommelte gegen seine Brust und schrie mit sich überschlagender Stimme: «Warum hast du denn nicht besser aufgepasst? Warum hast du sie allein gelassen? Jetzt hat das Schwein auch noch Britta totgemacht.»
    Trude zog sie an sich, nahm sie in die Arme und wiegte sie, bis das Schluchzen nachließ. Jakob nutzte die Zeit, um Ben nach oben zu bringen. Er schloss die Tür ab. Den Schlüssel steckte er ein, damit Trude nicht auf dumme Gedanken kam. Aber Trude war in Gedanken wieder mit dem Rad unterwegs. Einmal zum Mais und wieder zurück, vorbei an den Feldern, den Rückseiten der Gärten. Und noch einmal kehrt. Und wieder und wieder. Jakob nahm ihr die Tochter aus den Armen, ohne dass sie etwas davon merkte.
    Schweren Herzens fuhr Jakob seine Jüngste zurück zum Lässler-Hof. Er wollte gleich weiter, um denen, die noch draußen waren, bei der Suche zu helfen. Aber Antonia, die zu Hause geblieben war in der Hoffnung, dass Britta noch heimkäme, bat ihn, wenigstens auf einen Kaffee zu bleiben.
    Jakob setzte sich in einen Sessel, spürte ein wenig Hunger und die vergangene Nacht in den Knochen. Vor allem die Fäuste taten ihm weh. Antonia brachte ein Frühstück auf den Tisch, setzte sich zu ihm und Tanja. Sie war so ruhig, dass Jakob es nicht begreifen konnte. Nichts in ihrer Stimme verriet Sorge oder Schmerz, als sie sich erkundigte, ob Ben am vergangenen Abend und in der Nacht draußen gewesen sei.
    Jakob nickte nur, der Bissen blieb ihm im Hals stecken. An seiner Stelle rasselte Tanja herunter, was ihr bekanntwar. «Was Papa sagt, stimmt nicht, Antonia. Ben ist nach Hause gekommen, da waren sie gerade weg. Er hat gerufen, aber ich konnte ihn nicht reinlassen, Papa hatte mich eingeschlossen. Ich hab ihm gesagt, er soll sich vor die Tür setzen, das hat er auch gemacht, glaube ich. Er ist bestimmt nicht mehr weggegangen. Er hat Britta nichts getan. Du kennst ihn doch, er tut uns nichts.»
    «Ja», murmelte Antonia und nickte. Nach einer kleinen Pause fuhr sie wie in Gedanken versunken fort: «Wie oft war er hier, hat mit euch gespielt. Immer war er sanft, egal, wie ihr ihm zugesetzt habt. Und wenn ihr ihn fortgeschickt habt, ist er gegangen. Vielleicht hat sie ihn fortgeschickt. Paul hatte ihr doch gesagt, dass sie sich von ihm fernhalten soll.»
    Endlich brachte Jakob den feststeckenden Bissen hinunter, goss noch einen Schluck Kaffee durch die raue Kehle und erklärte heiser: «Er hat ihr Rad heimgebracht, Antonia.»
    Das schien sie außer Fassung zu bringen, aber nicht für lange. Jakob bewunderte sie. Für einen winzigen

Weitere Kostenlose Bücher