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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Weile im Bruch gespielt und etwas gefunden. Eine ausgewachsene Ratte, die sich leider nicht mehr bewegte.
    Antonia war von seinem Fund nicht begeistert gewesen und hatte ihn angewiesen, den Kadaver in die Mülltonne zu werfen. Das hatte er auch getan. Doch bevor er heimging, holte er sich seinen Schatz zurück.
    Auf dem Weg zu Lukkas Bungalow hielt er den Kadaver in der Hand. Er roch ein wenig streng, aber das störte ihn nicht. Als er sich dem Bungalow näherte, stopfte er die Ratte in die Hosentasche. Er ging langsam, spähte über den Mais zur Terrasse, sah die offene Tür und hoffte auf einen Schokoladenriegel.
    Angst vor dem Bullterrier hatte Ben nicht. Er war mit Tieren aufgewachsen und zeigte normalerweise nicht einmal Furcht vor Bruno Kleus Zuchtbullen. Wenn ihm eine Art fremd war, hielt er respektvoll Distanz. Das hatte er zu Anfang auch bei dem Bullterrier getan. Heinz Lukka hatte ihm tausendmal erklärt, wie er mit dem Hund umgehen sollte. Ben hatte nicht alle Worte verstanden, aber das Ergebnis war leicht zu begreifen. Freund Lukka war der Herr, und der Hund gehorchte. «Sitz!» Und er saß. «Bei Fuß!» Und er stand neben Freund Lukkas Bein. «Still!» Und er knurrte nicht einmal mehr.
    Man musste vorsichtig sein, durfte sich nicht hastigbewegen, wenn man das Haus betrat. Man sollte leise sprechen und die Hand nicht zurückziehen, wenn der Hund daran schnüffelte. Das alles hatte Ben gelernt. Er wusste sogar, dass der Hund es mochte, am Kopf gekrault zu werden, aber nur von seinem Herrn.
    Ben kam auf die Terrasse, näherte sich langsam der offenen Tür und rief leise: «Freund!» Er erreichte die Tür, betrat den großen Wohnraum. Der Hund kam ihm aus der Diele entgegen. Ben streckte ihm eine Hand entgegen, wie Heinz Lukka es ihm gezeigt hatte. Es war die Hand, die die Ratte getragen hatte. Und ohne das geringste Warnsignal biss der Bullterrier zu.
    Ben schrie auf, zerrte an seiner Hand, vergrößerte damit noch den Schmerz, den die tief ins Fleisch vergrabenen Hundezähne verursachten. Aus einem Reflex schlug Ben mit der freien Hand zu und traf die empfindliche Hundenase mit der Handkante. Es war ein äußerst heftiger Schlag gewesen. Trotz seiner guten Erziehung ließ der Hund los und schüttelte sich benommen.
    Ben betrachtete voller Angst die Löcher in seiner Hand und das Blut, das auf den dicken Teppich tropfte. Er kreischte: «Freund!», was seine Lungen hergaben. Aber Freund Lukka erschien nicht, um ein Kommando zu geben.
    Der Hund sprang ihn an, prallte mit geballter Kraft gegen Bens Brust und brachte ihn zu Fall. Ben riss einen Arm hoch, auch nur ein Reflex, doch damit schützte er sein Gesicht und die Kehle. Die Hundezähne gruben sich in seine Schulter, rissen und zerrten am Fleisch. Er schrie nicht mehr, wimmerte auch nicht vor Schmerz. Starr und stumm vor Furcht lag er auf dem Boden, vor seinen Augen begannen feurige Kreise zu tanzen. Und keine Hilfe kam. Kein Laut war zu hören, auch der Hund gab keinen Ton von sich.
    Jeder andere hätte vielleicht mit letzter Kraft auf den Hund eingeschlagen oder sonst etwas Sinnloses getan. Ben tat etwas auf den ersten Blick Widersinniges. Er brachte den Arm, mit dem er Kehle und Gesicht schützte, nach unten, umklammerte mit beiden Armen den Hundekörper, zog ihn sich an die Brust wie zu einer innigen Umarmung. Dabei presste er dem Bullterrier die Rippen zusammen und drückte gleichzeitig seine Fäuste gegen die Wirbelsäule des Tieres. Wie viel Kraft in Bens Fäusten steckte, ahnte niemand, weil er sie normalerweise nicht einsetzte.
    Nach ein paar Sekunden gab es ein Knacken. Der Hund jaulte auf, die Zähne lösten sich aus Bens Fleisch, die Vorderläufe ruderten Halt suchend, die Hinterläufe hingen schlaff zur Seite. Ben schaffte es, sich von der Last des Hundekörpers zu befreien und auf die Beine zu kommen. Voll Abscheu und Zorn betrachtete er das Tier, das sich auf dem Fußboden krümmte und jaulte. Dann holte Ben aus und hieb mit der unverletzten Hand nach unten. Er traf – wieder mit der Handkante – den Hund dicht hinter dem Kopf. Das Jaulen verstummte auf der Stelle. «Finger weg!», schrie Ben.
    Anderthalb Stunden später sagte Heinz Lukka zu Jakob und Trude: «Es tut mir so furchtbar leid. Ich war in der Garage. Ich hatte noch Akten im Auto und habe nichts gehört. Als ich ins Haus kam   … mein Gott, tut mir das leid. Aber der Arzt sagte, es sind nur Fleischwunden. Das wird wieder.»
    Ben saß mit blassem Gesicht, dicke Verbände um

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