Der Puppengräber
oder auch aussprach. Jakob reagierte nicht. Er stampfte davon, Trude hinter ihm her.
Zur gleichen Zeit nahm Antonia auf dem Lässler-Hof Paul den Telefonhörer aus der Hand und erledigte die restlichen Anrufe. Pauls Hände zitterten so stark, dass er keine Nummer mehr wählen konnte. Andreas war bereits mit seiner Frau und dem Schwiegervater auf dem Weg. Er hatte bei der Diskothek in Lohberg haltgemacht und seinen Bruder informiert. Achim sammelte im «da capo» ein paar Freunde um sich, in mehreren Wagen brachen sie auf.
Richard Kreßmann und Toni von Burg versprachen, sofort zu kommen mit allen zur Verfügung stehenden Leuten. Antonia musste immer nur einen Satz sagen:«Unsere Britta ist nicht heimgekommen.» Zu mehr war sie auch nicht in der Lage. Bruno Kleu war nicht daheim. Renate versprach, ihn zu schicken, sobald sie ihn sah. Vorab schickte sie ihre beiden Söhne. In Ruhpolds Schenke hielten sich noch sieben Männer auf, die sich zusammen mit Wolfgang Ruhpold auf den Weg ins Feld machten. Bei Heinz Lukka wurde nicht abgehoben, auch in der Wohnung über der Apotheke ging niemand ans Telefon. Erich Jensen und Heinz Lukka befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer Stadtratssitzung. Maria war nicht daheim.
Während das halbe Dorf aufbrach, um nach Britta Lässler zu suchen, und kein Mensch auf den Gedanken kam, die Polizei zu verständigen, verlor Trude den Rest ihres Kampfgeistes. Obwohl sie nicht dorthin wollte, lief sie mit trippelnden Schritten hinter Jakob her zum Bruch, zu der Stelle, an die Ben sie gestern geführt hatte.
Von Ben war weit und breit nichts zu sehen. Jakob ließ den Strahl der Lampe zwischen den moosbewachsenen Trümmern wandern, prüfte den Boden, den er bereits am Vormittag gründlich abgesucht hatte, erneut auf Winzigkeiten und Veränderungen. Nach einer halben Stunde bekamen sie Gesellschaft: Toni, Uwe und Winfried von Burg, Andreas Lässler und seine Frau Sabine. Andreas hatte einen Spaten dabei und begann augenblicklich an der Stelle zu graben, an der vor acht Jahren die Grube für Ursula Mohn ausgehoben gewesen war. Die anderen suchten das Gestrüpp ab. Um Trude kümmerte sich niemand. Sie irrte zwischen den Trümmerbergen umher, ohne Sinn und Verstand.
Kurz darauf trafen Richard und Albert Kreßmann ein, auch sie hatten einen Spaten dabei und eine Stange. Richard war halbwegs nüchtern und prüfte mit der Stange, ob der Boden irgendwo aufgelockert war. Albert schautesich die Steinhaufen an und machte Jakob auf frische Spuren an dem großen Trümmerberg aufmerksam. Sie waren so winzig, dass Jakob sie zuvor übersehen hatte.
Uwe von Burg und Andreas Lässler kamen dazu. Zwanzig Minuten brauchten sie, um mit vereinten Kräften so viele der überwachsenen Steine fortzuschaffen, dass der Eingang zum Gewölbekeller freigelegt war. Andreas und Albert zwängten sich unter einem schräg liegenden Balken durch, während Jakob mit angehaltenem Atem auf einen Ruf des Entsetzens oder etwas anderes wartete.
Es fand sich in dem Gewölbe eine Menge, in der Hauptsache Schutt. Auf einem halb verrotteten Regal standen ein paar verbeulte Töpfe aus Aluminium, darin lagen uralte Besteckteile, Scherben von Porzellanfigürchen, Holzstücke und Unmengen von Knochen. Alles war ordentlich sortiert. Bei den Knochen handelte es sich meist um die Überreste von Feldmäusen, ein paar größere mochten von Ratten stammen. Von einem Menschen fand sich nichts.
Die jungen Leute machten sich daran, weitere der überwucherten Steinhaufen abzutragen. Ohne Ergebnis. Toni von Burg, Jakob und Richard Kreßmann kontrollierten die andere Seite der Senke und den Weg, der dort entlangführte. Um vier in der Nacht brachen die meisten zum Bendchen auf, um die freiwilligen Helfer dort zu unterstützen. Jakob nahm Trude beim Arm und folgte der Gruppe. Richard Kreßmann setzte sich am Rand der Senke auf den Boden, um ein wenig zu verschnaufen. Albert grub an seiner Stelle weiter.
Die Gruppe um Wolfgang Ruhpold war aufgebrochen und hatte mit der Suche beim Schlösser-Hof begonnen. Dort hatten sich die Männer geteilt. Vier von ihnen waren den Weg zum Bendchen abgeschritten und arbeitetensich langsam in den Wald vor. Die anderen kontrollierten mit starken Lampen den gesamten Weg, den Britta Lässler hätte nehmen müssen.
28. AUGUST 1995
Bis um sechs in der Früh arbeiteten sich etwa dreißig Leute systematisch in den Wald hinein. Jakob wollte unbedingt bei ihnen bleiben, er war überzeugt, dass Ben über kurz oder
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