Der Puppengräber
Mädchen allein über den Weg läuft, stell ich mir lieber nicht vor. Der weiß, was er in der Hose hat. Und bei seinen Kräften bleibt es nicht bei ein paar blauen Flecken.»
«Was er in der Hose hat, weiß dein Sohn vermutlich besser», hielt Heinz Lukka dagegen. «An deiner Stelle würde ich nicht so große Töne spucken. Sonst kommt noch einer auf den Gedanken, ein ernstes Wort mit deinem Albert zu sprechen. Ich bin bestimmt nicht der Einzige, dem er erzählt hat, mit Erichs Tochter würde er gerne mal Verstecken spielen. Er hat mir auch erzählt,das wäre nicht in deinem Sinne, dir wäre ein Viertel vom Lässler-Hof lieber als die Apotheke. Das kommt davon, wenn die Alten sich einmischen und den Jungen Vorschriften machen, mit wem sie dürfen und mit wem nicht.»
«Was soll das heißen?», brüllte Richard Kreßmann. «Willst du etwa behaupten, mein Sohn hätte …»
«Ich behaupte gar nichts», sagte Heinz Lukka. «Aber denk mal daran, was Bruno mit Maria anstellen wollte, als Paul ihm den Umgang mit seiner Schwester verbot. Wenn so ein Junge sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann es durchaus Scherben geben, wenn er es nicht bekommt.»
Den Streit zwischen Richard Kreßmann und Heinz Lukka sowie die Bemerkung von Toni von Burg verschwieg Wolfgang Ruhpold. Er wusste, dass Jakob Richard für seinen Freund und Heinz für seinen Feind hielt und nie auf den Gedanken gekommen wäre, es könnte umgekehrt sein. Es gab keinen Grund, ihn darauf hinzuweisen und ihm unnötig das Herz schwer zu machen mit den blödsinnigen Behauptungen eines Volltrunkenen. Und außer Richard Kreßmann hatte bisher kein Mensch Ben in Zusammenhang mit Marlene Jensen gebracht. Da war ein anderer im Gespräch. Und davon durfte Jakob getrost erfahren, er gehörte nicht zu denen, die Gerüchte weitertrugen.
Jakob hörte zu und war versucht, den Kopf zu schütteln. Dieter Kleu in Verdacht! Auf den wäre er nie gekommen. Dass ein junger Mann bis über beide Ohren in ein Mädchen verliebt war und alle Hebel in Bewegung setzte, es für sich zu gewinnen, war kein Verbrechen. Dass Dieter durch persönlichen Einsatz der Polizei zur Festnahme von Klaus und Eddi verholfen hatte; die Beamten in Lohberg waren ihm so dankbar gewesen, dasssie über den fehlenden Führerschein bei der Verfolgungsjagd hinweggesehen und es bei einer Ermahnung belassen hatten. Ein Zeitungsredakteur hatte Dieter sogar auf die Schulter geklopft, weil er ohne Rücksicht auf die eigene Person zur Polizeiwache gefahren war.
Im Dorf machte man sich eigene Gedanken. Wolfgang Ruhpold schloss sich da nicht aus. Ihm waren ein paar Widersprüche im Verhalten Dieter Kleus aufgefallen. Da war einmal die Sache mit dem Autokennzeichen. Dass Dieter keinen Blick darauf geworfen haben sollte, als Marlene Jensen in den Wagen von Klaus und Eddi stieg, hielt Wolfgang Ruhpold für unwahrscheinlich. Und dann musste man sich fragen, warum Dieter es der Polizei nicht sofort genannt hatte. Da hätte man Klaus und Eddi doch gleich an dem Sonntag, als Maria Jensen das leere Bett ihrer Tochter entdeckte, ein paar Fragen stellen können.
Stattdessen legte sich Dieter beim «da capo» auf die Lauer. Was hatte er sich davon versprochen? Er konnte nicht allen Ernstes geglaubt haben, Klaus und Eddi ließen sich noch einmal in der Diskothek blicken, wenn sie Marlene tatsächlich umgebracht hätten. Da sollte man eher annehmen, Dieter wusste, wie es ablief bei den beiden. Dass sie sich nur amüsieren wollten und bei Widerstand mal kurz die Autotür öffneten. Und wenn er das wusste, musste man sich fragen, woher.
Das war aber noch nicht alles. Was hatte Dieter getan, nachdem er der Polizei zur Festnahme von Klaus und Eddi verholfen hatte? Ein junger Bursche, der im Prinzip nichts für sich behalten konnte, protzte er etwa mit seinem Heldenstück? Nein, im Gegenteil.
«Er kam zum Frühschoppen», sagte Wolfgang Ruhpold mit gedämpfter Stimme. «Stand vor dem Tresen, hat ein paar Bierchen gekippt und war keineswegs in Siegerlaune. Die beiden Kerle saßen zu dem Zeitpunktlängst im Verhör, draußen war seit Stunden die Suche im Gange. Er wusste, warum. Aber er hat nicht mal mit Bruno oder Renate darüber gesprochen. Die beiden sind aus allen Wolken gefallen, als sie erfuhren, was er sich geleistet hatte. Und jetzt frag ich dich, Jakob, ganz unter uns und im Vertrauen: Benimmt sich so ein Mensch, der ein reines Gewissen hat?»
Jakob zuckte mit den Schultern. «Na, ich weiß nicht. Wärst du in
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