Der Purpurkaiser
Imperium zu regieren? Das Reich – tja, genau darüber will ich mit dir reden.« Er bemerkte Henrys Gesichtsausdruck und fügte hinzu: »Deiner kleinen Freundin geht’s prächtig.«
»Sie ist nicht meine Freundin.« Henry wurde rot.
Fogarty beachtete ihn nicht. Er zog ein kleines Messer aus der Schublade und schaufelte damit graue Schleimbrocken aus der Dose in Hodges Blechnapf. Hodge hatte sich von seinem Schreck erholt; er war wieder in die Küche gekommen und sah mit wachsamem Blick zu. Fogarty sagte: »Oberflächlich betrachtet sieht alles gut aus. Die Nächtlinge benehmen sich im Großen und Ganzen. Hairstreak verhält sich ruhig. Nach allem, was man hört, soll in Hael alles zusammengebrochen sein – ich glaub’s nicht, aber die Portale sind jedenfalls dicht, also können die Dämonen keinen Ärger machen. Alle labern einem die Ohren zu von wegen Händereichen und Friedenstauben und so ein Mist. Das Schlimme aber ist: Eigentlich hat sich überhaupt nichts geändert.«
Er stellte den Napf auf den Boden und wartete. Hodge trottete näher, beschnüffelte das Fressen kurz, dann ging er und setzte sich mit dem Rücken zu ihnen. »Was hab ich gesagt!«, rief Fogarty triumphierend. »Das reinste Suchtverhalten! Er rührt kein normales Futter mehr an – er will seinen Schuss.«
»Mr Fogarty, er mag dieses Futter nicht. Es stinkt entsetzlich und aussehen tut es wie – «
»Bei mir hat er’s immer gefressen«, unterbrach Fogarty ihn herablassend. »Vor allem, wenn er hungrig war.« Er starrte Henry eindringlich an und rümpfte die Nase. »Kannst ihm das Zeug jetzt ruhig geben – hast ihn ja ohnehin schon zum Junkie gemacht.«
Henry beschloss, sich auf keine Diskussion einzulassen. Er warf das kotzemäßige Futter weg, spülte den Napf aus und füllte ihn mit Schlemmerhäppchen. Hodge hob den Schwanz und fing sofort zu fressen an.
Fogarty zog einen Stuhl vom Küchentisch weg und setzte sich. »Jetzt mal zu ein paar anderen Punkten. Bevor ich’s vergesse, Pyrgus will, dass du zu seiner Krönungsfeier übersetzt.« Henry sah auf einmal ein Vokabelheft vor seinem geistigen Auge und verstand kein Wort, dann fiel ihm ein, dass Übersetzen der Begriff war, mit dem Pyrgus einen Wechsel ins Elfenreich bezeichnete. »Da gibt es diese Rolle des ›Hochedlen Gefährten‹«, fuhr Fogarty fort. »Ist so was wie der Trauzeuge bei einer Hochzeit. Das sollst du sein. Dazu gehört auch ein völlig dämlicher Aufzug.«
Henry warf einen Blick auf Mr Fogartys eigene Erscheinung, sagte jedoch nichts. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ihm war jeder Grund recht, Hauptsache, er konnte wieder ins Elfenreich zurück. Es war dermaßen toll dort. Mensch, dort war er ein richtiger Held. Er hatte Abenteuer erlebt, hatte Pyrgus aus der Hölle gerettet. Wäre wirklich nett, Pyrgus mal wieder zu sehen. Und Blue. Besonders Blue. Nicht wieder im Bad, versteht sich. Wo er letztes Mal aus Versehen reingeraten war und sie nackt gesehen hatte. Aber einfach mal bei Blue vorbeizuschauen wäre nur höflich. Hochedler Gefährte, ja? Was Mr Fogarty einen »völlig dämlichen Aufzug« nannte, war wahrscheinlich nur etwas richtig Prächtiges und Heldenmäßiges; dann bekam Blue endlich einmal den richtigen Eindruck von ihm, nicht wie letztes Mal, als er so einen Schrott angehabt hatte.
»Wann ist sie denn, die Krönungsfeier?«, fragte er.
»In zwei Wochen – an einem Samstag, nach unserer Zeitrechnung. Die Feierlichkeiten dauern drei Tage, aber du musst schon am Freitag kommen, zur Generalprobe.«
Henrys Vorfreude platzte wie eine Seifenblase. Er schaffte es vielleicht, seiner Mutter eine Nacht aus den Rippen zu leiern, wenn er sich mit seiner Schulfreundin Charlie absprach und so tat, als würde er bei ihr übernachten, aber vier Tage konnte er vergessen. »Ich kann hier keine vier Tage weg.«
»Weil du was vorhast oder wegen deiner Eltern?«
»Nein, ich hab nichts vor. Und wenn, dann würd ich’s schon absagen. Es ist wegen meiner Eltern – oder besser: wegen meiner Mutter. Meinen Vater seh ich ja nicht mehr so oft.« Auf einmal wurde ihm klar, dass Mr Fogarty seine Lebensumstände gar nicht mehr kannte, seit er so viel drüben war. »Papa ist ausgezogen – ich wohne jetzt nur noch bei meiner Mutter. Wenn ich für vier Tage verschwinde, wird sie wissen wollen, wo ich gewesen bin.«
Fogarty zuckte die Schultern. »Kein Problem – nehmen wir eben einen Lethe.«
Henry blinzelte. »Was ist ein Lethe?«
»Lässt einen
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