Der Purpurkaiser
Moment«, sagte Fogarty. »Wollen Sie ihn nicht einmal seine Krönung feiern lassen?«
Hairstreak ging nicht darauf ein. »Jetzt werden andere Zeiten anbrechen, Torhüter. Wenngleich ich sehr bezweifle, dass Sie sie noch erleben werden.«
Der Gesang endete abrupt, als Pyrgus auf dem Thron Platz nahm. Blue stellte sich rechts von ihm auf. Archimandrake Podalirius wartete hinter dem Thron.
»Wir werden es zweifelsohne bald herausfinden«, sagte Fogarty.
Der Archimandrake füllte ein Glasfläschchen aus einem der Krüge mit geweihtem Öl. Zwei Priester traten vor, sie trugen die Kaiserkrone zwischen sich. Sie war reich mit geschliffenen Amethysten verziert und von einem purpurnen Schein umgeben.
Archimandrake Podalirius goss sich Öl in die linke Handfläche, tauchte seinen rechten Daumen hinein und malte damit ein mystisches Siegel auf Pyrgus’ rasierten Kopf. »Ich bereite den Kopf, der von Gott berufen, die Krone zu tragen«, intonierte er.
Pyrgus sah strikt geradeaus, mit ausdruckslosem Gesicht.
Irgendwo im Kirchenschiff begann ein Frauenchor zu singen. Ihre hohen, klaren Stimmen schwangen sich empor wie Vögel in der Luft. Über dem Choral setzten die unverwechselbaren Stimmen eines Endolgchors mit einer Gegenstimme ein. Eine langsame Prozession singender Mönche schritt durch das Kirchenschiff zum Altar.
Archimandrake Podalirius nahm von den beiden Priestern die Purpurkrone entgegen, reckte sie empor und setzte sie langsam auf Pyrgus’ Kopf. Knisternde Energien flossen in seinen Körper hinab. Jedes Geräusch erstarb.
»Sehet euren Kaiser!«, verkündete der Archimandrake schallend.
Henry merkte, dass er den Atem anhielt. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Lord Hairstreak sich leicht vorbeugte, einen selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht.
»Und nun die erste Proklamation des Kaisers«, sagte Mr Fogarty leise.
Pyrgus erhob sich. Die Krone musste unglaublich schwer sein, aber er trug sie souverän. Als er sprach, sprach er leise, aber um den Thron herum angebrachte Verstärkungszauber trugen seine Worte in jeden Winkel der Kathedrale.
»Es ist Tradition«, sagte er, »dass ein Kaiser die erste Proklamation seiner Regentschaft hier in der Kathedrale abgibt, im feierlichen Moment seiner Krönung. Ich halte mich heute an diese Tradition und verkünde hiermit meine ab sofort wirksame Abdankung zugunsten meiner Schwester, Ihrer Durchlauchtigsten Hoheit Prinzessin Holly Blue, die aufgrund dieser meiner Kaiserlichen Proklamation fortan herrschen möge als Elfenkönigin und souveräne Herrscherin über die Elfenlande und Kriegerin des – «
Trotz der Verstärkungszauber ging der Rest seiner Worte in dem Tumult unter, der in der gesamten Kathedrale ausbrach. Hairstreak war aufgesprungen und zerknüllte den Vertrag in der Faust. »Das kann er nicht machen!«, dröhnte er.
»Hat er aber gerade«, sagte Mr Fogarty milde. Henrys Idee – und was für eine gute. Er warf einen Blick auf das Pergament. »Mir scheint, Ihr Vertrag ist nicht mehr sonderlich viel wert – ich kann mich nicht erinnern, dass er auch für Blue bindend wäre.«
Hairstreak fuhr wütend herum. »Das ist noch nicht ausgefochten, Torhüter. Wir wissen beide, was Pyrgus getan hat, und glauben Sie, ich bringe den Jungen dafür vor Gericht.«
Mr Fogarty zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Ich glaube, Sie werden zur Kenntnis nehmen, dass die Purpurkaiserin ihren Bruder für sämtliche Missetaten begnadigen wird.« Er bedachte Hairstreak mit seinem frostigsten, raubtierhaftesten Lächeln. »Wer weiß, vielleicht sogar gleich in ihrer ersten Proklamation?«
Epilog
H enry fragte sich, warum er sich so mies fühlte. Blue war Kaiserin, das war toll. Sie hatte jetzt natürlich nicht mehr so viel Zeit für ihn in ihrer neuen Position und mit ihren ganzen Titeln und Aufgaben und so weiter, aber das war schon okay so. Das Wichtigste war, dass sie Kaiserin war, sie würde das sehr gut machen. Es war auch gut, dass Pyrgus nicht Kaiser zu werden brauchte – darin wäre er grausig schlecht gewesen. Und dass sie Pyrgus begnadigt hatte, so dass Hairstreak keinen Ärger mehr machen konnte. Das hieß doch, dass alles in Ordnung war und alle glücklich und zufrieden waren und es gar keine, überhaupt keine Rolle spielte, dass Blue jetzt nie wieder für jemanden wie Henry Zeit hatte, der nicht einmal ein Elf oder ein Held oder ein Zauberer oder sonst etwas Aufregendes war. Es spielte keine Rolle. Sie waren ja schließlich nicht miteinander
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