Der Purpurkaiser
vergessen. Wenn es so weit ist, zerbrichst du einfach einen Kegel unter ihrer Nase, und schon weiß sie nicht mal mehr, dass sie überhaupt einen Sohn hat. Bis du wieder nach Hause kommst. Sonst noch jemand da?«
»Meine Schwester Aisling«, sagte Henry mit großen Augen. Er hatte im Elfenreich erlebt, wie das mit den unterschiedlichen Zaubern so ging, aber er war nicht auf die Idee gekommen, dass er ja auch mal selbst einen benutzen konnte.
»Dann geb ich dir eine ganze Schachtel: Man weiß nie, wann man sie mal braucht. Nimm erstmal zwei, für jede einen. Und pass auf, dass du die Luft anhältst, bis du aus dem Zimmer bist.«
»Danke«, sagte Henry. Bei der Vorstellung, seine Schwester zu verhexen, spürte er ein warmes Gefühl im Bauch.
»Dann kann ich Pyrgus ausrichten, dass du kommst?«
Henry nickte begeistert. »Ja.«
»Gut. Die zweite Sache ist, ich hab beschlossen, für immer dazubleiben.«
»Hier?« Henry war etwas überrascht, aber vor allem war er erleichtert. Seit Mr Fogarty zum Torhüter des Elfenreichs ernannt worden war – erst ein paar Wochen war das her, kaum zu glauben –, pendelte der alte Herr zwischen hier und dem Purpurpalast. Wenn er drüben war, sah Henry nach dem Haus und fütterte Hodge. Aber Mr Fogarty war jedes Mal länger im Elfenreich geblieben und Henry hatte keine Ahnung, wie er das mit Hodge noch hinbekommen sollte, wenn im September die Schule wieder anfing. Schon jetzt war alles nicht so einfach: Seine Mutter hatte etwas gegen Mr Fogarty.
Fogarty schüttelte den Kopf. »Nein, nein, im Reich. Wie ich schon sagte, auf den ersten Blick sieht alles toll aus, aber im Grunde hat sich nichts geändert. Hairstreak verfolgt nach wie vor seine eigenen Pläne, da kann er noch so viel vom Brückenbauen schwafeln. Pyrgus hat keine Ahnung von Politik – er interessiert sich nicht die Bohne dafür. Und er ist zu gutgläubig. Alles nimmt er für bare Münze, nie hegt er Zweifel an dem, was ihm jemand erzählt. Wenn er als Kaiser überleben will, dann werde ich mich um ihn kümmern müssen. Wie es aussieht, dürfte das auf einen Vollzeitjob hinauslaufen.«
»Ja…« Henry nickte nachdenklich. Mr Fogarty hatte bestimmt Recht. Pyrgus war vor allem schrecklich jung für einen Kaiser – sie beide waren gleichaltrig. Dann sah Henry Mr Fogartys Gesicht. »Das ist noch nicht alles, oder?«
Fogarty schnaubte. »Bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst, was, Henry?« Er seufzte. »Ja, da ist noch was. Ich werde nicht jünger. Wenn das stimmt mit der Lebenserwartung von siebzig Jahren, dann bin ich schon überm Verfallsdatum. Mit meiner Arthritis könnte ich heutzutage keinem Bullen mehr weglaufen, nach spätestens zehn Metern wäre ich geschnappt. Ich dachte immer, dass mir vielleicht noch fünf Jahre bleiben, mit etwas Glück auch zehn, aber dann hab ich erfahren, dass es im Elfenreich Behandlungsmethoden gibt, die mir glatt noch dreißig geben würden – und die verfluchte Arthritis würden sie auch gleich mit platt machen. Bloß klappt das nicht, wenn ich ständig nur am Pendeln bin. Die Sache ist die, wenn man mit der Behandlung einmal anfängt, dann sinkt die Toleranz für diese Welt. Ich hab mit der Behandlung angefangen. Je länger ich hier bin, desto gefährlicher wird es für mich. Wenn ich also das nächste Mal zurückgehe, bleibe ich für immer.«
»Aber was machen Sie denn dann mit dem Haus, Mr Fogarty?«
Fogarty sah ihn nachdenklich an. »Genau darum will ich mich ja jetzt kümmern.«
Vier
A us irgendeinem Grunde half das Gewand Blue dabei, die Dinge ein bisschen gelassener zu betrachten. Obwohl sie es wieder ausgezogen hatte und nun wie immer Hemd und Hose trug, fühlte sie sich wegen der Krönungsvorbereitungen nicht mehr so unter Druck. Sicher, es gab noch viel zu tun, aber sie hatte ja auch noch zwei Wochen Zeit. Und eigentlich war es auch ziemlich ungerecht zu behaupten, dass Pyrgus sich um nichts kümmerte. Die ganze Angelegenheit nahm ihn einfach ganz schön mit. Er hatte nie Kaiser werden wollen, eigentlich bis heute nicht; also vermied er jeden Gedanken an die Krönungsfeierlichkeiten. Und das war wohl auch ganz gut so – Pyrgus hatte ein Talent dafür, alles durcheinander zu bringen. Da überließ er die Vorbereitungen besser ihr – sie verstand sich aufs Organisieren. Und sie bekam schließlich alle Unterstützung, die sie brauchte. Da waren –
Sie bog um eine Ecke des Ganges und lief direkt in ihren Halbbruder Comma hinein. Er hatte irgendetwas auf den
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