Der purpurne Planet
werden’s schon schaffen, und wenn sie etwas brauchen, kommen sie von ganz allein.
Trotzdem oder gerade deswegen hatte er so etwas wie ein schlechtes Gewissen, als er mit Irina und Sibyl beim Essen saß und Klaus Rudloff auf ihn zusteuerte und neben ihm Platz nahm.
„Wie ist es eigentlich zu dem Unglück gekommen, weiß man das schon?“ fragte er.
„Nanu?“ sagte Sibyl, und Klaus lachte.
„Ich habe gelobt, mich zu bessern, nun wundert euch nicht, wenn ich mich entgegen meiner Gewohnheit für etwas interessiere, das nichts mit Biologie zu tun hat. Das ist der erste Schritt.“
„Die Untersuchung hat folgendes ergeben“, sagte Uwe. „Zuerst schwankte die Stromstärke im Ionenschlauch etwas, aber das konnte ausgeglichen werden. Dann fiel sie plötzlich so stark ab, daß der Schlauch zusammenbrach. Die Regelautomatik schaltete daraufhin den Neutronenstrahl wieder ein, aber bei der normalen Intensität kam keine Verbindung zustande. Darum erhöhte sie die Intensität fast auf das Doppelte, und als nun der Strom wieder floß, war er so stark, daß die Elektrode explodierte. Ein Bruchstück davon traf Jochen. Der Strom riß natürlich sogleich wieder ab. Nach der Reparatur lief mit verstärkter Elektrode wieder alles normal. Ein paar Stunden später passierte dann das gleiche noch mal, nur daß diesmal die Elektrode nicht explodierte.“
„Na und?“ fragte Klaus neugierig. „Die Ursache?“ Sibyl sagte: „Wir haben eine Vermutung, sie muß noch überprüft werden. Die Erscheinung tritt periodisch auf. Für ein Auftreten haben wir ein zeitgleiches Satellitenbild. Wir glauben, daß die großen stratosphärischen Aschewolken auf die Elektronen wirken wie ein Schwamm auf das Wasser. Kommt eine dieser Wolken in den Strahl, saugt sie den Strom auf, der durch den Ionenschlauch fließt. Erst wenn sie gesättigt ist, kommt wieder ein Stromfluß zum Boden zustande.“
„Hm, aha“, meinte Klaus Rudloff, „und kann mir auch jemand erklären, wie das mit dem Nachwachsen der Hand funktioniert? In meiner Studentenzeit wurde noch gelehrt, daß zum Beispiel Nervengewebe nicht nachwächst.“
Die anderen sahen sich erstaunt und ein wenig belustigt an, aber sie nahmen die Sprunghaftigkeit des Biologen als eine Äußerung seines etwas schwierigen Charakters. Irina ergriff das Wort.
„Über Molekularbiologie brauche ich dir ja nichts zu sagen. Jede beliebige Zelle enthält die DNS-Moleküle, die das embryonale Wachstum der Hand gesteuert haben. Dieser Steuermechanismus wird auch für unseren Wachstumsprozeß erschlossen. Da aber der übrige Körper sich nicht im Stadium des Wachstums befindet, muß der gesamte Komplex der Rückwirkungen des übrigen Organismus auf das Wachstum der Hand simuliert werden. Das ist das erste Steuerprogramm. Ist die Hand fertig ausgebildet, vergleichsweise also im Augenblick der Geburt, verändert sich die Natur der Rückwirkungen, ein neues Programm für die Simulierung muß eingesetzt werden. Das ist der kritische Punkt, er darf nicht um Minuten verpaßt werden.“
„Und dann hat er seine Hand wieder – genau wie vorher?“
„Nein, so einfach ist das nicht. Vor allem funktioniert sie dann noch nicht. In der Regel sind alle Nervenenden sozusagen falsch angeschlossen. Er will – sagen wir – die Hand öffnen, und sie schließt sich statt dessen. Aber das ist kein großes Problem – durch gezieltes Training wird das Gehirn angeregt, die Schaltfehler zu korrigieren.“
„Gut“, sagte Klaus Rudloff zufrieden. „Jetzt hab ich mich für eure Angelegenheiten interessiert, und das ist doch wohl anerkennenswert, nicht wahr? Nun darf ich doch auch verlangen, daß ihr euch mal mit meinen beschäftigt. Eßt also schön eure Teller auf, und dann kommt ihr mit mir in meine Höhle!“
Die anderen sahen sich erst verdutzt an und lachten dann.
„Und wir haben dir dein Interesse direkt geglaubt!“ sagte Uwe, noch immer lachend.
„Das will ich auch gehofft haben“, meinte Klaus ernst. „Denkst du vielleicht, ich schwatze nur so mit euch? Ich hab schon Schlußfolgerungen gezogen. Zum Beispiel müssen wir unbedingt noch das Verhalten der Schwebpflanzen in elektrisch aufgeladenen Aschewolken testen. Und Irinas Programme werd ich mir mal ganz genau ansehen, die haben mich nämlich auf einen Gedanken gebracht, aber – nein, das ist noch nicht soweit, daß man es einfach erklären könnte. Wie ist es nun, kommt ihr mit?“
Irina verabschiedete sich, aber Uwe und Sibyl gingen mit in das
Weitere Kostenlose Bücher