Der purpurne Planet
richtiger: die leuchtende Ionensäule schien zu zittern – doch dann hörte das Knattern auf, und die drei fragten sich, ob das Zittern nicht nur eine Täuschung gewesen sei.
„Was ist los, Erika?“ fragte Uwe.
„Ich weiß auch nicht“, tönte Erikas Stimme im Helmfunk. „Unregelmäßigkeiten in der Zufuhr. Die Regelautomatik hat sie ausgeglichen. Geht aber lieber in Deckung, man weiß nicht, was noch kommt. Oder noch besser – fliegt nach Hause und laßt Tom und mich hier, damit wir die Sache untersuchen können.“
Die drei wandten sich um und wollten zum Hubschrauber gehen. In diesem Augenblick erlosch der stehende Blitz.
„Abschalten!“ rief Uwe, und gleichzeitig rief Erika: „Deckung!“
Ein scharfer Knall, für den Bruchteil einer Sekunde zuckte der Blitz noch einmal auf und erlosch sofort, es donnerte – und im Helmfunk war ein Aufschrei und ein Stöhnen zu hören. Uwe sah sich um, noch geblendet – lag da nicht jemand? Jetzt erkannte er:
Es war Jochen. Irina war schon bei ihm, sie hatte wohl nicht den Blitz gesehen. Uwe bückte sich, um ihr zu helfen, da sah er entsetzt, was geschehen war: Aus Jochens rechtem Unterarm spritzte Blut. „Hilf mir abbinden“, rief Irina. „Die Hand ist abgeschnitten.“
7
„Höchstens zehn Minuten!“ hatte Irina gebieterisch gesagt, bevor sie Uwe die Tür zu Jochens Krankenzimmer freigegeben hatte.
Nun war er mit Jochen allein. Der Stationsleiter sah eingefallen aus, sein Kinn war spitz, sein Gesicht bleich.
„Tja – nun gibt’s Probleme!“ sagte er mühsam.
„Erika heult den ganzen Tag, und Tom läuft herum mit Augen wie ein Selbstmörder“, sagte Uwe. „Sie fühlen sich schuldig.“
„Unsinn“, sagte Jochen, so kräftig er konnte. „Red ihnen das aus.“
„Schwer“, antwortete Uwe beklommen. „Keiner kann sich vorstellen, was du ohne rechte Hand anfangen sollst.“
„Nanu – weiß bei euch die eine Hand nicht, was die andere kann? Deine Frau hat mir erzählt, auf der Erde hätten sie Methoden entwickelt, ganze Körperteile nachwachsen zu lassen, und sie wäre auch in der Lage, so etwas auszuführen.“
„Was“, fragte Uwe freudig erregt, „dann – dann kriegst du deine Hand wieder? Das ist ja… Da muß ich gerade unterwegs gewesen sein, als das aufkam. Uff. Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich bin.“
„Und ich erst!“ Jochen lachte mühsam. „Die Schwierigkeit ist bloß – ich bin zwei Monate bewußtlos. Tiefschlaf. Der Körper konzentriert sich auf das Wachstum. Inzwischen muß ja jemand die Station leiten.“ Er kniff die Augen zusammen.
„Klaus Rudloff?“ fragte Uwe.
„Nein, du.“
„Ich?“
„Muß ich erst argumentieren? Von den Jüngeren kommt keiner in Frage, ihnen fehlt die Lebenserfahrung. Die Älteren sind ausnahmslos Spezialisten. Der einzige mit Leitungserfahrung bist du.“
„Klar – kein Wort mehr.“
„Doch – noch zwei. Gib Klaus Rudloff nicht allzusehr nach. Du sollst entscheiden. Aber du mußt deine Entscheidung auch begründen. Das ist das eine.“
„Und das andere?“
„Überleg dir das noch mal – mit dem Hierbleiben. Du hast ja jetzt zwei Monate Zeit.“ Er lächelte. „Und du wirst mir doch glauben, daß ich diese Situation nicht absichtlich herbeigeführt habe! – Sag jetzt nichts, die anderen werden gleich kommen, ich hab Eileen gebeten, sie zusammenzurufen. Sprich auch mit deiner Frau darüber, ich glaube…“ Er verstummte.
„Hast du sie gefragt?“
„Nein“, sagte Jochen, „aber hast du sie gefragt?“ Uwe wurde heiß. Er hatte Irina tatsächlich noch nicht direkt gefragt, wie sie dazu stand, er hatte immer als selbstverständlich angenommen, daß Irina, die eigentlich nur seinetwegen die Erde verlassen hatte, sich genauso nach Hause sehnte wie er. Und Irina hatte auch von sich aus nie erkennen lassen, daß sie anderer Ansicht sei – aber immerhin, direkt gefragt hatte er sie noch nicht. Warum eigentlich nicht?
Eileen steckte den Kopf durch die Tür. „Dürfen wir?“ Auf Zehenspitzen kam einer nach dem anderen herein.
„Nun tut doch nicht so wie auf der Beerdigung“, sagte Jochen matt. „Ich kriege ja meine Hand wieder. Die Medizin auf der Erde hat dieses Problem längst gelöst – sozusagen eine ärztliche Kleinigkeit. Aber ich werde zu diesem Zweck zwei Monate abwesend sein, bewußtlos. Damit keine Unklarheiten aufkommen – Irina, bin ich bei, klarem Verstand?“
„Völlig. Nur sehr erschöpft. Deshalb müssen wir jetzt Schluß machen.“ Sie zog
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