Der purpurne Planet
Stromschnellen treten die Ufer enger zusammen, und außerdem hört man’s tosen.“
„Ja, auf der Erde.“
„Dies ist mein Planet, Herr Schwarz, und er wird sich gefälligst mir gegenüber anständig benehmen. Schön, ich will mal nicht so sein. Aber nur, damit du recht hast!“
Sie schlug ein paarmal mit den Schwingen und löste sich vom Wasser. Erich folgte ihr.
Nach wenigen Flugminuten bog der Fluß nach Osten ab.
„Hier hätten wir ihn sowieso verlassen müssen“, meinte Erich tröstend.
„Aber jedenfalls hat er sich gut benommen. Keine Stromschnellen, kein Wasserfall.“
„Die kommen bestimmt später, wenn er das Gebirge durchbricht“, antwortete Erich. Es tat ihm wohl, immer wieder ihre Stimme zu hören, auch wenn sie nur Unsinn redete; aber offenbar ging es ihr ebenso. Ohne die Unterhaltung hätten sie wohl das Gefühl gehabt, in der Luft stillzustehen. Nichts veränderte sich – weder der grau-rosa Himmel noch der schwarze Boden zu ihren Füßen.
„Wie fühlst du dich?“ fragte Erich.
„Ein bißchen traurig“, antwortete Erika, „aber das macht nichts, du bist ja da.“
Er lachte. „Bin ich dir doch wichtiger als dein Planet?“
„Du“, drohte sie, „werd nicht überheblich! Es genügt, wenn’s einer in der Familie ist!“
„Soll ich denn gar nichts von dir lernen?“
„Schon, aber nicht die Untugenden. Sieh mal, da hinten wird’s hell!“
„Vielleicht ein Wolkenloch? Los, wir segeln drauf zu, ein bißchen Abweichung vom Kurs schadet nichts.“
„Ich befehle, daß es ein Schönwettergebiet ist“, sagte Erika. „Die Wolkendecke hab ich satt.“
Sie hatten aber doch noch eine Viertelstunde zu fliegen, dann riß die Wolkendecke auf, und sie hatten strahlend grünen Himmel über sich und ein leicht geschecktes, hügeliges Land unter sich.
„Ich muß erst mal etwas essen“, behauptete Erika.
„Gut, aber warte, wir suchen uns einen möglichst hohen Hügel aus!“
Sie landeten und legten die Schwingen ab. Zur Auflockerung liefen sie ein paarmal kreuz und quer über den Felshügel, dann legten sie sich hin und drehten mit ein paar Handgriffen die im Helm angebrachten Trinkflaschen zum Mund.
Die flüssige Nahrung schmeckte nach dem anstrengenden Flug ausgezeichnet, obwohl eigentlich nicht festzustellen war, wonach sie schmeckte. Erika suchte sich räkelnd eine bequeme Lage, aber Erich stand auf und sagte: „Du ruhst jetzt ein bißchen, und ich sehe mir die Umgebung an. In einer halben Stunde lösen wir uns ab.“
„Ist gut“, antwortete sie, „aber hier, ich binde dich an, damit du mir nicht wegläufst!“
Sie hielt Erich den Karabinerhaken eines Seils hin.
„Wenn du nur selbst so vorsichtig wärst!“ sagte er.
„Mit Frauen ist das nicht so schlimm“, antwortete sie in belehrendem Ton, „aber bei Männern muß man immer aufpassen! Und laß den Helmfunk an!“
Damit drehte sie sich auf die Seite und war, wie ihre gleichmäßigen Atemzüge verrieten, gleich darauf eingeschlafen.
Irina saß im Cockpit und las diagonal in einigen speziellen Werken über Raumfahrt-Psychologie, die sie sich aus dem Archivspeicher auf den Bildschirm holte. Immer noch beschäftigte sie das wiederholte Auftreten allgemeiner Nervosität. Sie konnte einfach nicht glauben, daß diese Erscheinungen in unterschiedlichen Interessen oder in charakterlichen Gegensätzen wurzeln sollten. Sie las und las, fand aber keine Erklärung. Schließlich schaltete sie den Schirm ab und blickte zu den anderen hinüber.
Michael war gar nicht da, sie entsann sich jetzt, daß er irgend etwas von „Triebwerk kontrollieren“ gemurmelt hatte. Uwe hockte auf seinem Sessel und starrte nach draußen, ins Graue. Sein Gesicht sah finster aus, die Augenbrauen zusammengezogen. So hatte sie ihn nur selten gesehen – das letztemal bei jener denkwürdigen Ballonfahrt, nach der sie geheiratet hatten. Es war sein „Bilanzgesicht“.
Sie wollte ihn nicht unterbrechen; aber er hatte wohl selbst gemerkt, daß sie eine Pause einlegte, oder er war gerade zu einem Zwischenergebnis in seiner Gedankenkette gekommen – jedenfalls blickte er sie an und lächelte.
„Dieser Planet schafft mich noch“, sagte er, „nirgends hab ich in so kurzer Zeit so viele Fehler gemacht wie hier.“
„Fehler?“ fragte Irina verblüfft.
„Der erste Fehler war schon, daß ich mir so viele Raumküken aufdrängen ließ – bei einer so schwierigen Aufgabe. Grund: falsche Nachgiebigkeit. Er ist aber uninteressant, weil seine
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