Der purpurne Planet
Schlußfolgerungen uns jetzt nichts nützen.“
„Hm. Und weiter?“
„Der zweite Fehler war, daß ich mir die Aufgabe gestellt habe, die beiden jungen Leute zur Selbständigkeit zu erziehen. Die Zeit dafür war viel zu kurz, und gerade jetzt sind sie dadurch in eine psychologische Situation geraten, wo sie zu Unsicherheitsfaktoren werden. Ursache meines Fehlers: Selbstüberschätzung.“
„Einspruch. Wenn du überhaupt diesen Fehler begangen hast, was ich bezweifle, dann hängt er mit dem ersten zusammen. Im Interesse des Auftrags gab es keine andere Möglichkeit.“
„Einspruch anerkannt. Der dritte Fehler – oder nein, jetzt der zweite – den hast du ja selbst erkannt: Ich meine die Geheimniskrämerei. Ursache: Wieder Selbstüberschätzung.“
„Bißchen aufgebauscht. Aber weiter.“
„Der vierte Fehler: daß ich die beiden gemeinsam losgeschickt habe. Einer von uns – Michael oder ich – hätte dabeisein müssen. Ursache: Wiederum falsche Nachgiebigkeit.“
„Ob das nun ein Fehler war, muß sich erst herausstellen.“
„Gut, warten wir also ab.“
Irina wollte das Thema wechseln und Uwe von seiner Fehleranalyse abbringen, die sie für unfruchtbar hielt.
„Sag mal, denkst du eigentlich manchmal an deinen Vater und die RELAIS-Leute?“
„Ich denke ständig daran, und das ist vielleicht der fünfte Fehler. Ich versuche mir vorzustellen, wie ich meinem Vater gegenübertrete. Ich kann es mir nicht vorstellen, ich muß das dem Augenblick überlassen. Eine so verrückte Situation hat’s doch noch gar nicht gegeben, daß jemand mit fünfundvierzig Jahren seinen Vater als Gleichaltrigen kennenlernt.“
„Psychologisch gesehen, bist du allerdings im Vorteil, du kannst dich gedanklich darauf vorbereiten, und außerdem bist du dir über seine und deine Interessen im klaren. Er wird von der Tatsache überrascht und noch mehr überrascht wahrscheinlich davon, daß du wieder weg willst.“
„Und das heißt, daß ich Rücksicht nehmen muß und folglich gehemmt bin.“
„Bist du schon fest entschlossen, was die Zukunft betrifft?“ Uwe nickte.
„Da gibt es meiner Meinung nach überhaupt keine Unklarheiten. Wir werden die Sonden herunterholen, dann noch diese und jene Hilfestellung leisten, und damit wird unsere Aufgabe erfüllt sein. Die Braunes werden hierbleiben und wir drei zurückfliegen. Denn Michael geht natürlich dahin, wohin ich gehe. Höchstens, daß einer der Hiesigen zur Erde zurück will.“
„Und ich?“ wollte Irina wissen.
„Was denn – willst du etwa hierblieben?“ fragte Uwe entsetzt. Irina lächelte. „Natürlich nicht. Aber man möchte als Ehepartner in den Berechnungen doch wenigstens auftauchen – wenn man schon nicht gefragt wird.“
Jetzt lachte Uwe. „Mir scheint, als Ehemann mache ich noch viel mehr und schlimmere Fehler!“
Er stand auf, trat an ihren Sitz und umarmte sie.
„Hast du auch mal versucht zu schätzen, wie weit wir gekommen sind?“ fragte Erich seine Frau, als sie ihn weckte.
Am südwestlichen Horizont war das Hochland noch als schmaler gelbbrauner Streifen über der dunklen Vegetation zu erkennen.
„Etwa fünfzig Kilometer?“ schätzte sie unsicher.
Erich nickte. „So ungefähr. Diese Strecke noch mal – das müßten wir doch schaffen, was?“
„Ich fühle mich jedenfalls wie ein Fisch im Wasser!“ behauptete Erika.
„Richtiger wäre wohl, wie ein Vogel in der Luft“, meinte Erich und breitete die inzwischen wieder angelegten Schwingen. Etwa eine Stunde waren sie in ungefähr hundert Meter Höhe geflogen, über sich den grünen Himmel, dessen Grün noch satter geworden war, wohl infolge einer jener stratosphärischen Aschewolken, vor sich die Gebirgskette und hinter sich, über dem Hochland, eine harmlos aussehende Wolkenbank, die sich nicht zu bewegen schien. Plötzlich rief Erich: „Da! Da fängt die dritte Welle an!“
„Wo?“ fragte Erika erregt.
„Komm, wir sehen uns das an!“ forderte Erich sie auf und stieß wie ein Raubvogel hinab in das dunkle, fast schwarze Grün.
Dann standen sie vor einer Gruppe riesiger, drei bis vier Meter hoher Gewächse, deren Grün etwas heller zu sein schien als das der Wiese.
„Das sind ja Farne!“ staunte Erika.
„Ja, Farne, Riesenfarne“, sagte Erich fast andächtig. „Ist dir eigentlich klar, was du da siehst?“
„Nein, Herr Weiß, laß es mich wissen.“
„Scherz ist hier unpassend“, sagte Erich langsam. „Ehrfurcht ist angebracht. Denn das sind unzweifelhaft irdische
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