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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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feierlichen Augenblicken bin ich in meinem bisherigen Leben noch nie so recht klargekommen“, sagte er, „aber ich hätte doch nicht gedacht, daß es jemand als passend empfinden könnte, wenn man sich bei der ersten Begegnung alle unangenehmen Kleinigkeiten voneinander erzählt.“
    „Ich verstehe dich nicht“, meinte Eileen einfach. „Deine Reaktion meine ich.“
    Michael lachte nun. „Entschuldige, ich bin sonst nicht launisch. Es ist mir einfach noch in der Erinnerung peinlich, wie eure Gesichter lang wurden, da oben im Festsaal, als ihr merktet, daß nur zwei hierbleiben wollten – und ich kam nicht dahinter, was der Grund war! Wir hatten uns doch eingebildet, wir würden als Retter kommen und entsprechend empfangen werden – dabei war es beinahe umgekehrt.“
    „Siehst du, und wir hatten uns eingebildet, von der Erde käme eine Raumflotte, aus der ein paar hundert Mann herausspringen und gleich ein Dutzend weitere Stützpunkte bauen. Wir hatten sogar schon Namen dafür: Wismar, Stralsund, Schwerin…“ Jetzt lachten beide.
    „Aber trotzdem“, wiederholte Eileen ihre Frage, „was war mit der Nervosität?“
    „Wir hatten ein paarmal so seltsame Anfälle von Gereiztheit“, erzählte Michael, „Unbeherrschtheiten, Zank und so was. Jetzt, wo ich die Schönwetterkrankheit kenne, scheint es mir beinahe, als sei das immer bei schlechtem Wetter gewesen. Ich meine, wenn wir lange der Beleuchtung bei schlechtem Wetter ausgesetzt waren.“
    „Das ist für mich neu“, sagte Eileen nachdenklich, „bei uns ist das noch nicht aufgetreten. Vielleicht deshalb, weil wir langsam in diese Situation hineingewachsen sind? Oder haben wir es nur nicht bemerkt? Also wenn ich genau nachdenke… Ich habe manchmal auch schon so komische Stimmungen gehabt, aber so etwas wichtig zu nehmen oder gar zu registrieren, hat man ja keine Zeit… Und dann“, setzte sie mit entwaffnender Offenheit hinzu, „dachte ich auch, immer, es sei, weil ich solo bin. In früheren Zeiten soll das ja die Leute direkt krank gemacht haben.“
    „Ja“, sagte Michael, „und du hast ja auch keinerlei Aussicht, in den nächsten fünfzehn Jahren…“ Er biß sich auf die Zunge.
    Aber Eileen war nicht gekränkt. „Soll ich deshalb weinen?“ fragte sie und lachte. „Du willst ja auch nicht hierbleiben!“
    Michael war verblüfft. Als Kosmonaut war er zwar von den Zeiten des Erdurlaubs her gewöhnt, nun, sagen wir, ein bißchen angehimmelt zu werden, aber nicht, daß eine Frau ihm gegenüber sozusagen die strategische Initiative an sich riß.
    „Nun bist du entsetzt, ja?“ fragte Eileen. „Keine Angst, ich will dich nicht becircen, sagt man so auf der Erde? Nein? Aber du weißt, was ich meine. Und schließlich würde ich auch nicht jeden nehmen.“
    War das nun Naivität oder Raffinesse? Michael kam nicht dahinter, und er entschloß sich, so zu tun, als nehme er alles scherzhaft auf. „Bin ich etwa jeder?“ fragte er.
    Aber nun war Eileen plötzlich wieder ernst. „Sei kein Kind – natürlich bist du nicht jeder. Das weißt du ganz gut.“ Sie schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Wir besprechen hier alles sehr offen. Nun krieg nicht wieder einen Schock, wenn ich dir sage: Ich will kein kurzes Abenteuer, ich mag dich – aber entweder oder.“
    Michael schwieg. Es war ihm klar, daß Eileen keine Antwort erwartete, wenigstens nicht sofort. Er hätte auch keine gefunden. Es war ihm peinlich, so direkt vor eine intime Entscheidung gestellt zu werden, oder richtiger, er empfand es als unangenehm und störend, eine scheinbar rein persönliche Frage so eng und unausweichlich mit einer Entscheidung verbunden zu sehen, die man wohl als schicksalhaft bezeichnen durfte, auch wenn man sonst große Worte nicht liebte. Aber er begriff auch, daß für Eileen diese enge Verbindung tatsächlich bestand und zum erstenmal erfaßte ihn eine Ahnung davon, daß die Schwierigkeiten, die diese kleine Gruppe von Menschen hinter sich und auch noch vor sich hatte, nicht nur materieller Natur waren. Kühn und bewunderungswürdig war das Unternehmen, ja, aber welche Kühnheit gehörte erst dazu, in dieser trostlosen Einöde Kinder zu zeugen. Welches Selbstververtrauen und welche Besessenheit von der Aufgabe erforderte die feste Gewißheit, daß es gelingen würde, die Kinder im gleichen Geiste zu erziehen! Und offensichtlich war es gelungen. Es schien doch, als entbehrten auch die jungen Neu-Rostocker nichts von den vielen Dingen und Beziehungen, die einem

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