Der purpurne Planet
meine Frau bat, mitzukommen. Und für Michael – bin ich so etwas wie ein zweiter Vater. Seine Eltern sind auf dem Mars umgekommen. Und er ist Kosmonaut wie ich.“
„Gut, lassen wir das“, sagte Jochen, ein wenig müde, wie es schien. „Es ist eben doch so: Man trifft höchstens ein- oder zweimal im Leben grundsätzliche Entscheidungen nach eigenem freiem Willen, und das ist meist in der Jugend. Alles andere wird dann mehr oder weniger von Notwendigkeiten diktiert – wobei ich auch die eine, wichtigste dazurechne, nämlich sich selbst treu zu bleiben. Ich respektiere das. Aber gestatte mir noch eine Frage, damit ich meinen Sohn kennenlerne: Wenn uns Gefahr drohen würde – ich meine nicht einmal Gefahr für Leib und Leben, sondern die Gefahr, daß unser Projekt scheitern könnte, in das ja nicht nur wir Fleiß und Kraft investiert haben, und wenn eine solche Gefahr es erforderlich machte –, dann bliebst du doch hier?“
Uwe stand auf. „Wofür hältst du mich? Für feige? Oder charakterlos?“ Jochen sprang auf und boxte ihm gegen die Schulter.
„Aber laß dir ja nicht einfallen“, sagte Uwe, „solche Situation etwa herbeizuführen!“ Jochen lachte. „Jetzt könnte ich fragen: Wofür hältst du mich?“
6
„Also Kampf bis aufs Messer?“ fragte Uwe ironisch.
Die Besatzung der TERRA hatte sich zur Beratung zusammengefunden, und Erika Braune hatte gleich zu Anfang dagegen protestiert, daß die Beratung ohne die Neu-Rostocker stattfand; ferner dagegen, daß sie und ihr Mann noch als zum Raumschiff gehörig betrachtet wurden; schließlich dagegen, daß das Raumschiff nicht vorbehaltlos und endgültig dem PROJEKT RELAIS unterstellt worden war.
„Ich hatte eigentlich eine sachliche Antwort erwartet“, entgegnete Erika auf Uwes Ironie.
„Sehr einfach“, sagte Uwe, „wir haben als Raumschiffbesatzung noch Aufgaben zu erfüllen. Wir müssen sichern, daß die Sonden eingeholt werden können, auch die künftigen, und daß Verbindung zur Erde aufgenommen wird. Dazu brauchen wir einen Arbeitsplan, und um den geht es jetzt. Was aber die – wie war das? – vorbehaltlose und endgültige Unterstellung betrifft, so meinst du doch damit sicher, daß wir alle hierbleiben sollten. Da hätten wir wohl erwarten können, daß du außer deinem persönlichen Enthusiasmus, den natürlich alle schätzen, auch sachliche Gründe dafür anführst.“
„Dazu muß ich aber ausführlicher werden.“
„Ich bitte darum.“
Erika räusperte sich. „Ganz sachlich: Ich habe ein mathematisches Funktionsmodell der Station aufgestellt und durchgerechnet. Charakteristisch dabei ist folgendes: Die Arbeit, die aufgewendet werden muß für die Aufrechterhaltung der Lebensbedingungen, wächst nicht proportional zur Anzahl der Personen. Wenn nur Erich und ich hierbleiben, wird die zusätzliche Arbeitskraft vollständig für die Erweiterung des Haushalts verbraucht. Erst wenn die Zahl der Menschen um fünf bis sechs steigt, ergibt sich ein effektiver Zuwachs an Arbeitskraft für die Lösung der Aufgaben. Auf der anderen Seite werden aber auch die Aufgaben in dem Maße wachsen, wie sich nach der Entladung der Sonden die technischen Möglichkeiten erweitern.“
„Es kommt noch hinzu“, ergänzte Erich, „daß das Phänomen der Magnetpolwanderung unbedingt erforscht werden muß, denn davon hängt das weitere Schicksal der Station überhaupt ab. Dazu brauchen wir aber das Raumschiff.“
„Noch jemand dazu?“ fragte Uwe.
„Nur zu, Erika“, warf Irina ein, „ich glaube, wir dürfen unsere Entscheidung nicht den Rechenmaschinen überlassen. Aber andererseits dürfen wir Auseinandersetzungen nicht fürchten – die Nervosität und Reizbarkeit, die uns auf dem Weg hierher befallen hatte, war krankhafter Natur; vielleicht das Gegenstück zur Purpur-Euphorie. Bei richtiger Arbeitsplanung kann uns das nicht mehr passieren.“
„Noch jemand?“ fragte Uwe und sah Michael an. Der schüttelte den Kopf.
„Gut – dann zunächst zu Erich. Wenn ich dich recht verstanden habe, besteht die Gefahr, daß das ganze PROJEKT RELAIS abgebrochen werden muß. Wir hatten uns früher schon einmal darüber unterhalten, aber man sollte das auch den anderen hier so kraß sagen, wie es ist.“
„Gefahr ist übertrieben“, warf Erich ein, „eine ganz winzige, nur hypothetische Möglichkeit, die man aber überprüfen muß.“
„Gut, dann ist das jedenfalls auch nur ein ganz winziges Argument, allerdings eben nicht fürs Hierbleiben. Denn die
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