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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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etwas simple, aber sehr effektive Methode: Sie brauchte jetzt nur die grünen Punkte auszuzählen, weil ja nur die vom weißen Licht getroffenen Pflanzen grün leuchteten, und aus dem Vergleich zu der vor einer Stunde gemachten Aufnahme würde sich die Vermehrungsrate ergeben.
    „Zuwachs um dreißig Prozent“, berichtete sie ein paar Augenblicke später.
    „Also Verdoppelung in etwas mehr als zweieinhalb Stunden“, meinte Jochen Laurentz. „Ich glaube, das reicht. Viel mehr dürfte auch gar nicht zweckmäßig sein.“
    „Warum nicht?“ wollte Mara wissen. „Ich denke, je schneller, je besser?“
    „Wenn sie sich schneller vermehren, als die Luftströmung sie auseinandertreibt, dann verfilzen sie sich und fallen alle zusammen aus“, antwortete Jochen. „Ich denke, wir wandeln dieses Bassin in die Produktionsstätte um. Sind die drei Testbassins vorbereitet?“
    „Alles fertig.“ In diesem Augenblick trat Tom in das biologische Labor.
    „Stell dir vor“, sagte Mara lebhaft, „die Schwebpflanzen sind jetzt fertig, wir gehen zur Produktion über!“
    „Na fein“, sagte Tom, nicht sehr interessiert. „Hört mal, die neuen Roboter, das sind Maschinchen, sage ich euch, die dritte Sonde war voll davon, wir haben sie eben ausgeladen, oder vielmehr, wir haben sie gebeten, auszusteigen, ich wollte euch das nur mitteilen, ich muß gleich wieder raus!“ Und fort war er. Mara starrte ihm enttäuscht nach.
    „Na, dann leite mal in jedes Testbassin eine Dosis von unseren Pusteblumen und sag mir Bescheid, wenn du damit fertig bist – he, Mara, du hörst ja gar nicht zu!“
    „Doch, ich hör schon, entschuldige, ich sag dir dann gleich Bescheid. Wohin gehst du?“
    „Ich geh doch nicht weg – ich bereite nur die Asche vor!“
    „Ach so.“
    Während Mara die etwas umständliche Prozedur der Umsetzung in die anderen Bassins vornahm – umständlich wegen des Unterdrucks –, schüttete Jochen eine Portion Vulkanasche in den Ultraschallresonator. Sie ließ sich nicht so fein verteilt aufbewahren, wie sie in den stratosphärischen Wolken auftrat, man mußte sie unmittelbar vor dem Experiment bearbeiten.
    Jochen sah zu Mara hinüber, nachdem er den Resonator eingeschaltet und die Frequenz überprüft hatte. Jetzt, bei irdischem Arbeitslicht, sahen die Sichtscheiben der Bassins, vor denen Mara hantierte, dunkelrot aus, düster. Sie leuchteten nicht mehr. Er schaltete das helle Licht wieder aus, und gleich erschien ihm die Umgebung vertrauter.
    Ich glaube, ich könnte auf der Erde gar nicht mehr leben! dachte er. Als Junge, entsann er sich, hatte er abenteuerliche Geschichten aus alter Zeit gelesen, in denen Forscher unwirtliche Gegenden aufsuchten, nach denen sie sich später immer zurücksehnten. Er hatte das für erfunden gehalten, aber offenbar konnte man zu einer Landschaft, sei sie auch noch so wüst, wirklich so eine Art Vertrauensverhältnis bekommen wie zu einem Haus und zu einer Wohnung, wenn man lange genug darin lebte.
    Er, Jochen Laurentz, hatte doch gewiß immer nur sein Ziel vor Augen gehabt, in dem der gesellschaftliche und der persönliche Auftrag zusammenflossen, und solche Einzelheiten wie Licht, Luft, Felsen und Wasser stets nur unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit betrachtet. Und jetzt plötzlich, wo zwar nicht für ihn, aber doch für andere die Frage entstand, zur Erde zurückzukehren oder hierzubleiben, entdeckte er, daß er dieses Neu-Rostock, die Felsen, das Meer, den grünen Himmel und das rote Licht liebte.
    Vielleicht trug er dieses Gefühl schon lange in sich und hatte nur noch keine Gelegenheit gehabt, sich dessen bewußt zu werden, keinen Anlaß, der es zutage gefördert hätte. Wie lange mochte diese Liebe – oder richtiger: dieses ästhetische Urteil – wohl brauchen, um heranzureifen? Gab es eine Chance, daß vielleicht auch sein Sohn lernen würde, so zu empfinden, noch bevor die endgültige Entscheidung fiel? Ach, Unsinn, Gefühle sind kurzsichtig, kluge Menschen fassen Entschlüsse nicht nach dem Gefühl, schon gar nicht wichtige Entschlüsse. Aber das stimmt auch wieder nicht, denn eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben, nämlich die Wahl des Ehepartners, trifft man ganz gewiß mehr nach dem Gefühl als nach dem Verstand – ausgenommen, man befand sich in der Lage, in die sich die jungen Neu-Rostocker von ihren Eltern gebracht sahen, als sie erwachsen wurden: Es gab keine Wahl. Sie, die Älteren, hatten wohl gewußt, welche Verantwortung sie auf sich genommen

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