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Der Putzteufel geht um

Der Putzteufel geht um

Titel: Der Putzteufel geht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Cannell
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dachte ich, und deckte sie wieder zu. Für den Augenblick mußten sich meine Nesttriebe mit dem zufriedengeben, was ich ursprünglich vorgehabt hatte, nämlich neue Möbel für Abbey und Tarn auszusuchen. Ich hatte gerade ein paar weitere Schritte gemacht, als ich wie erstarrt stehenblieb. Hinter mir stand jemand. Ich spürte, wie sich sein Schatten auf meinen Rücken senkte. Sofort schlug mir das Herz bis zum Halse, und meine Knie fingen an zu schlottern. Trotzdem machte ich eine mutige halbe Drehung – und prallte gegen eine Kleiderpuppe, die mit dem Krachen einer Eiche neben mir zu Boden ging. Ich erfand ein paar neue Flüche und tastete mich rückwärts bis zu einem uralten Lehnstuhl, auf dem ich mit einem schmerzhaften Plumps landete. Offenbar war ich doch nicht so schön rund und weich gepolstert, wie ich gedacht hatte. Eine Sprungfeder bohrte sich hartnäckig in mein Hinterteil. Ich schob die Hände unter das Sitzpolster und stemmte mich ein bißchen ab, aber bequem war das nicht. Als ich mich – noch immer etwas zittrig – wieder erheben wollte, ertasteten meine Finger einen Gegenstand. Ich zog ihn unter dem Polster hervor. Es war ein Buch mit grünem Tucheinband. Der Schmerz war wie weggeblasen. Ein Journal! »Abigail Grantham« stand auf dem Deckblatt. Die Frau, die im ersten Viertel dieses Jahrhunderts die Hausherrin von Merlins Court gewesen war. Enttäuscht stellte ich fest, daß es sich nicht um ihr geheimes Tagebuch handelte. Das in dickem Stoff eingeschlagene Buch schien ein Sammlung von Abigails Reinigungstinkturen zu enthalten. Doch letztlich war ich dankbar für jedes Zeugnis jener Frau, deren Andenken wir hoch in Ehren hielten, und nach der Ben sein Restaurant benannt hatte. Ich stellte mich unter die schwach glimmende Glühbirne und blätterte so gierig durch die Seiten, als wäre ich ein pubertierender Junge, der unanständige Fotos beäugt. »Hör zu, Tobias – das ist echte Klasse! Besteck muß mit Holz- oder Kohlenasche gescheuert werden, Messergriffe aus Elfenbein, die sich durch längeres Liegen im Spülwasser gelb gefärbt haben, hingegen mit Sandpapier.« Na, das war doch großartig. Ich wünschte, ich hätte in der guten alten Zeit als Frau gelebt, bevor einem die chemischen Allzweckreiniger den Spaß an der Plackerei vermiesten. ›»Um Marmorbänke zu reinigen, benutze man einen halben Teelöffel Salmiak, einen viertel Teelöffel geriebenen Bimsstein und einen viertel Teelöffel Kreide. Man vermische das Ganze sorgfältig, fuge eine ausreichende Menge Wasser hinzu, scheuere damit gründlich und spüle mit Seifenlauge und Wasser nach.‹«
Ich wendete die Seite um und stieß einen Schrei des Entzückens aus. »Oh, ist das stark! Ein Rezept für Möbelpolitur. ›Ein halber Liter Alkohol, ein halber Liter Terpentin, ein viertel Liter reines Leinsamenöl, ein Gramm Tannenharz, ein Tropfen Äther. Harz mit Alkohol versetzen. Zwölf Stunden ziehen lassen. Öl und Terpentin in separatem Topf mischen, Alkohol und Äther hinzufügen‹.
Und hier, hör dir das an: ›Um Blutflecken zu entfernen, fertige man eine dünne Paste aus Stärke und Wasser. Auf verschmutzte Stelle auftragen. Trocknen lassen und abbürsten. Zwei bis drei Anwendungen entfernen die gröbsten Flecken.‹« Tobias hatte offenbar genug gehört. Ich wollte mich gerade der nächsten Seite widmen, als ich einen entfernten Aufschlag hörte, gefolgt von durchdringendem Porzellan- oder Glasgeklirr. Vor meinem geistigen Auge sah ich die Zwillinge, Hände und Gesichter in blutigen Fetzen, und mein Herz begann zu hämmern wie ein Schlagbohrer. Wie eine Wilde stürzte ich vom Speicher über die Treppengalerie in die Richtung, aus der das Getöse gekommen war. Vor Jonas’ Zimmer bremste ich abrupt. Die Tür stand sperrangelweit offen und gab den Blick auf Mrs. Large frei, die mit den Händen in den Hüften die traurigen Überreste eines Spiegels begutachtete, der dort an der Wand gehangen hatte. Ich mußte mir auf die Lippen beißen, um nicht vor Entsetzen laut aufzukreischen.
»Das sieht mir gar nicht ähnlich.« Sie drehte sich zu mir um. »Jedes Mitglied des VPFVCF kann Ihnen das schriftlich geben, Mrs. Haskell. Ich bin sonst nicht so ungeschickt. In den ganzen zweiundzwanzig Jahren, die ich in Pomeroy Hall gearbeitet habe, habe ich nicht ein Eckchen aus einer einzigen Tasse geschlagen. Die selige Lady Kitty, der man so leicht nichts recht machen konnte, hat mich als Perle bezeichnet. Und ich bin sicher, Sir Roberts neue Frau

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