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Der Putzteufel geht um

Der Putzteufel geht um

Titel: Der Putzteufel geht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Cannell
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– die mal Maureen Dovedale war – würde genau dasselbe sagen. Obwohl manch einer behaupten könnte« – Mrs. Large straffte die gewaltigen Schultern – »daß das nicht so viel Gewicht hat, immerhin sind Maureen und ich seit Kindertagen befreundet.« Sie verstummte. »Bitte regen Sie sich nicht auf, das kann doch jedem passieren«, rang ich mir ab, um sie zu beschwichtigen. »Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Sie machte einen Schritt von den Scherben weg und langte nach Kehrblech und Handfeger, die halb unter einem Berg von Staubtüchern begraben lagen. »Und wenn wir es mal von der praktischen Seite aus betrachten, Mrs. Haskell, dann hatte der Spiegel ja seine besseren Tage auch schon hinter sich, nicht wahr? In keiner Tombola hätten sie für den noch mehr als fünfzig Pfennig gekriegt. Das Silber war schon halb ab, und die Größe hat auch nicht gestimmt. War ja noch nicht mal groß genug, um Augen und Nase auf einmal zu sehen.« Ich wußte, daß Mrs. Large das alles sagte, um ihr Gewissen zu beruhigen, trotzdem merkte ich, wie ich sauer wurde, erst recht, als sie noch hinzusetzte: »War mir echt peinlich gewesen, wenn’s was Teures gewesen wäre.« Ich wußte, wie ›teuer‹ dieser kleine Spiegel Jonas gewesen war. Seine Mutter hatte ihn ihm geschenkt, als er neun Jahre alt war. Vielleicht weil sie wußte, daß sie nicht mehr lange bei ihm sein würde, hatte sie ihm gesagt, daß er, wenn er sich einsam fühle, nur hineinschauen müsse, um sie zu sehen. Später, als erwachsener Mann, hatte er begriffen, daß sie von ihrer beider Ähnlichkeit gesprochen hatte. Als neunjähriger Junge hingegen hatte Jonas an einem der Fenster oben im Haus gestanden und mit angesehen, wie der Sarg seiner Mutter auf den Leichenwagen gehoben wurde. In den traurigen Zeiten, die danach folgten, hatte er jedoch entdeckt, daß er, wenn er im richtigen Winkel mit halb zugekniffenen Augen in den Spiegel blinzelte, dort einen flüchtigen Blick auf seine Mutter erhaschen konnte. Manchmal stand sie dabei in der Küche, hatte eine weiße Schürze umgebunden und kochte rubinrotes Gelee in großen Töpfen ein. Aber meistens sah Jonas sie im Garten, wie sie einen Drachen von der Schnur wickelte, der einen Moment lang unstet zitterte, bis er der Sonne entgegenflog.
Durch meine Tränen sah ich undeutlich, wie Mrs. Large die Scherben zusammenfegte. Es war mir ein kleiner Trost, daß wenigstens der Rahmen heil geblieben war. »Ich lasse ihn neu verspiegeln.« Als ich den leeren Rahmen oben auf die Kommode legte, klingelte das Telefon. Ich war heilfroh, daß ich aus dem Zimmer flüchten konnte, rannte die Treppe hinunter und nahm den Hörer ab. »Oh, Sie sind es«, sagte Mrs. Malloy, nachdem ich mich gemeldet hatte. Es klang, als hätte sie statt meiner den Papst erwartet. »Hört sich an, als hätten Sie einen Kloß im Hals, Mrs. H. – sicher weil ich nicht mehr da bin. Na, jetzt müssen Sie sich aber langsam zusammenreißen. Denken Sie doch an die Kinder und den Göttergatten! Wissen Sie was« – ihre Stimme wurde sanfter –, »stellen Sie sich doch nachts mein Foto ans Bett. Das tröstet Sie bestimmt.« »Ich bin so froh, daß Sie anrufen«, quasselte ich sofort los. »Ich hatte mir schon ein wenig Sorgen gemacht, weil ich nichts mehr von Ihnen gehört habe. Wie läuft es denn so mit George und Vanessa und der süßen kleinen Rose?«
»Das hebe ich mir lieber für den Tag auf, an dem der Film über mein Leben gedreht wird.« Meine ehemalige rechte Hand wirkte plötzlich bedrückt. »Glauben Sir mir, da wird kein Auge trocken bleiben. Die Frage ist nur, ob man jemanden findet, der schön genug für die Hauptrolle ist. Aber warum soll ich mir darüber Gedanken machen? So wie es aussieht, braucht die Queen mir zum hundertsten Geburtstag sowieso kein Glückwunschtelegramm mehr zu schicken.«
Das klang über alle Maßen morbid. War das noch dieselbe Mrs. Malloy, die vor langer, langer Zeit einen Pakt mit dem Sensenmann geschlossen hatte, gemäß dem sie sich gegenseitig ignorieren wollten? So wie ich meine Cousine Vanessa kannte, hätte es mich allerdings nicht gewundert, wenn sie ihrer Schwiegermutter mit Mord gedroht hätte, nur weil die einmal einen ganz zarten Blick auf ihre Designer-Lippenstifte geworfen hatte. Aber Mrs. Malloy brachte eigentlich so leicht nichts aus der Fassung – selbst eine Todesschwadron wäre bei ihr mit eingekniffenem Gewehr wieder abgezogen. Demnach mußte in der Londoner Wohnung etwas sehr Außergewöhnliches

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