Der Putzteufel geht um
Tod des Hundes gemalt worden – falls es sich überhaupt um Jessica handelte. Gerade überlegte ich noch, wie es wohl den Waisenbabys ergangen war, als sich die Tür öffnete und Vienna einen hölzernen Teewagen hereinrollte, der vollgestellt war mit Kaffeekanne, Tassen, Untertellern und mehreren Platten voller Rosinentörtchen und Obstkuchen. Hinter ihr erschien Madrid, die Hände gefaltet, die Augen auf Überirdisches gerichtet, wie eine Nonne, die im Klostergarten ihren Verdauungsspaziergang macht. Sie zuckte zurück, als der Brigadegeneral sich erhob, als hätte sie gar nicht damit gerechnet, jemanden im Wohnzimmer anzutreffen. Ihre Schwester entschuldigte sich für die Verzögerung, ohne allerdings eine Erklärung dafür abzugeben. Vielleicht waren die beiden sich wegen des Problems, das Madrid bei meinem Eintreffen erwähnt hatte, in die Wolle geraten. Bestimmt war es etwas so Triviales gewesen, daß Vienna ihr erst einmal gehörig die Meinung gesagt hatte. Das eckige Kinn und die energische Mundpartie deuteten auf einen Menschen, der, wenn es darauf ankommt, kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihre Schwester hingegen war der Typ, der schon bei der kleinsten Kleinigkeit völlig am Ende ist und erst nach sorgsamer Wiederbelebung und einem Schlückchen Brandy genügend auf die Beine kommt, um sich wieder zusammenhängend zu äußern. »Nanu, was ist denn aus den anderen geworden?« tönte Vienna mit ihrer tiefen Stimme, die so stark vibrierte, als habe sie einen Motor im Rachen. Sie schaute von mir zu dem Brigadegeneral. »Hoffe, sie haben nicht aufgegeben und sich nach Hause verkrümelt? Meine Rosinentörtchen reichen für eine ganze Armee, und wir wollen doch nicht, daß etwas davon übrigbleibt. Wir achten nämlich beide auf unsere Diät, nicht wahr, Madrid?« Sie schenkte ihrer Schwester ein aufmunterndes Lächeln. Anscheinend hatten sie doch nicht gestritten. Dann reichte sie ihr eine Tasse Kaffee, ohne mir oder dem Brigadegeneral etwas anzubieten. Danach rührte sie Milch und Zucker in den Kaffee und klopfte noch ein Sesselkissen auf, damit Madrid sich bequem niederlassen konnte. »Sitzt du so gut, Liebes?« fragte sie. Erst dann wandte sie sich zum Brigadegeneral und mir und erklärte uns, ihre Schwester sei leider nicht ganz auf dem Damm.
»Ach du liebe Güte!« Der Brigadegeneral klang sichtlich erschrocken. »Nicht, daß ich mir selbst je etwas hole, aber wir wissen ja nicht, wer sonst noch kommt! Die Mitglieder der Salongesellschaft erscheinen doch oftmals erst nach den Kuchenstückchen.« Mit einer Mischung aus Hoffen und Zagen starrte er anschließend wieder aus dem Fenster. »Und manche Menschen sind anfällig und reagieren schon auf die kleinste Kleinigkeit.«
»Es ist nichts von körperlicher Natur!« Madrid schob den Haarvorhang beiseite, der über ihre Brille geglitten war. »Es ist nur, daß ich« – ihre Stimme verebbte – »zur Schwermut neige und…«
»… und daß die Rosinentörtchen nicht so geworden sind, wie sie sich das vorgestellt hat.« Vienna offerierte dieses Stück Information gemeinsam mit jeweils einer Tasse Kaffee für mich und den Brigadegeneral. Ich nippte vorsichtshalber erst einmal an dem Gebräu. Es war lauwarm und schmeckte, als ob es eine Woche lang in der Küche gestanden hätte. Dann kehrten Sir Robert und seine Frau zurück, kurz darauf gefolgt von Tom Tingle. Sie hatten gerade mit Tassen, Untertellern und Kuchentellern auf dem Schoß Platz genommen, als sich die Wohnzimmertür eine Handbreit öffnete und Clarice Whitcombe mit fragendem Gesicht hereinspähte.
Plötzlich erglühte der Brigadegeneral wie ein Schuljunge und sprang so hastig auf die Füße, daß sein Kuchenteller einen Salto vorwärts machte. Aha, also ist es Clarice gewesen, nach der er sich die Augen aus dem Kopf geguckt hatte, dachte ich erfreut.
»Die Eingangstür stand offen, und da bin ich einfach hereingekommen«, entschuldigte sich Clarice. Sie machte noch ein paar Schritte in den Raum, heftete den Blick auf den Brigadegeneral, dessen Wangenröte der ihren aufs Haar genau glich, und nestelte an den Knöpfen ihrer Strickjacke. Sie hatte Lippenstift aufgelegt, wenngleich ein bißchen zu viel und in einem etwas zu grellen Farbton, und hatte sich auch bei den Haaren Mühe gegeben, obwohl die eine Seite kleiner gekräuselt war als die andere. »Ich hätte wohl besser anklopfen sollen. Aber ich dachte« – sie riß den Blick vom Brigadegeneral los und wandte sich an Vienna —, »daß es Sie sicherlich
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