Der Q-Faktor
beobachtete das flache Heben der Brust bei jedem Atemzug, sah, wie die Knochen sich abdrückten und bemühte sich, nicht wieder zu entschlummern. Der Medroboter hatte es anscheinend gemerkt, denn wieder spürte sie einen kühlen Spray und hatte nach ein paar Minuten einen klareren Kopf. Sie lächelte und dachte über die komplizierte Zusammensetzung der Medikamente nach und die Schwierigkeit der Dosierung von Beruhigungsmitteln und Weckaminen, die in den Innerei en des armen kleinen Computers gespeichert lag.
Der Medizinal-Polizist – oder Polizeiarzt, wie man ihn auch nennen mochte – bekam Gesellschaft, und die beiden Männer flüsterten, ließen kein Auge von ihr, bis ein dritter Mensch mit einem Tablett erschien. Anne-Charlotte war erstaunt. Entweder war sie ihnen ungewöhnlich wichtig, oder alle anderen Mittel von Galakzentrum hatten versagt. Seit tausend Jahren schon wurden Patienten in Krankenhäusern nicht mehr durch andere Menschen bedient. In modernen Kliniken wurde der Patient einfach an eine Versorgungsleitung angeschlossen, von der aus er gefüttert und gepflegt wurde, die die Exkremente entfernte, den Puls und die Temperatur maß, für die Therapie sorgte, und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag. Trat eine Krisis beim Patienten ein – was fast ausgeschlossen war, weil die Versorgungsleitungen in einem sehr schlauen Zentralcomputer zusammenliefen, der sofort geeignete Maßnahmen ergriff –, dann löste ein Lautkontakt den Besuch des menschlichen Arztes aus, der für solche seltenen Fälle zur Verfügung stand. Die Versorgungsmechanismen konnten Babies entbinden, operieren, gebrochene Glieder richten und schienen, Windeln wechseln, sogar ein quengelndes Kind ablenken und beruhigen. Selbst mit Todesfällen wurden sie spielend fertig. Und doch stand neben ihrem Bett eine lebendige Frau in gestärkter, weißer Tracht und mit einem sauberen, weißen Tablett. Anne-Charlotte war gebührend beeindruckt.
„Wir möchten, daß Sie einen Happen essen“, sagte die Dame mit dem Tablett.
Anne-Charlotte war klug genug, um zu wissen, daß Nahrung im Augenblick für sie am wichtigsten war. Sie entrang sich ihr artigstes Lächeln.
„Gern“, sagte sie. „Ich habe Hunger.“
„Wie schön. Dann also guten Appetit.“
Das Kopfende des Bettes klappte nach oben und richtete sie auf, ein Arm schwenkte seitlich über die Bettdecke und hielt vor ihr inne. Von irgendwoher ertönte Musik, brach aber unvermittelt ab, als der Medroboter registrierte, daß sie kurz vor einem Zornausbruch stand. Sie aß, soviel sie konnte, genüßlich; irgendwoher hatten sie einen Makluniten aufgetrieben, der diese Mahlzeit gekocht hatte, dem Licht sei Dank. Es war unvergleichlich besser als die Kunststoffpampe mit Gewürzzusätzen, die normalerweise in den Krankenstationen von Galakzentrum als Essen ausgegeben wurde.
Die drei Menschen schauten ihr schweigend zu, bis sie fertig war. Dann versank das Tablett hinter einer Klappe in der Wand. Sie wartete geduldig auf den ers ten Zug von diesen Menschen, was er auch sein moch te, nach der Anstrengung des Essens war sie sogar zum Fragen zu erschöpft.
„Anne-Charlotte?“
„Ja.“
„Wie fühlen Sie sich?“
„Wie würden Sie sich fühlen“, flüsterte sie, „nach – grob gerechnet – sieben oder acht Wochen völliger Anästhesie?“
„Sehr schwach und sehr krank.“
„Nun ja, ich fühle mich sehr schwach und sehr krank.“
Ein Mann trat neben ihr Bett.
„Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten Sie nicht in betäubtem Zustand lassen müssen“, sagte er sanft. „Es gab für uns leider keine andere Möglichkeit, mit Ihnen fertig zu werden, das müssen Sie verstehen.“
„Ich verstehe sehr wohl“, entgegnete sie. „Auf eine andere Weise wäre es Ihnen nicht gelungen, mich hierzubehalten. Sie hätten mich nicht einmal herschaffen können.“
„So wurde es uns berichtet“, sagte er. „Es liegt an der Unzulänglichkeit unserer Mittel, daß wir so grausam sein mußten.“
„Jetzt aber bin ich so schwach, daß Sie meiner Mitarbeit gewiß sein können?“
„Nein, oh nein. In Ihrem Fall sind wir keineswegs gewiß. Ich bin nicht einmal sicher, daß Sie mich nicht im nächsten Augenblick töten werden.“
„Warum durfte ich dann aufwachen? Ist das nicht zu riskant?“
„Weil Sie Anspruch auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung haben – das ist eine Tradition, hinter der tausende von Jahren juristischer Praxis stehen.“
„Woher wollen Sie wissen, daß ich nicht
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