Der Q-Faktor
grausamen Tod der Mutter. Sie grübelte immer wieder darüber nach, was versäumt worden war, und was anders hätte getan werden können, und außerdem hatte sie Sehnsucht nach Kojote Jones.
Das war dumm, und sie schämte sich deswegen. Und sie wurde sich nicht über die Bedeutung dieser Empfindungen klar. Sie hatte deswegen Ärzte aufgesucht, die ihr das einfachste und offensichtlichste Gegenmittel verschrieben hatten.
„Ein neuer Liebhaber, und zwar sofort“, hatte ein Arzt ihr empfohlen. „Falls die Fixierung hartnäckig ist, wäre vielleicht eine Gruppentherapie angezeigt, irgend etwas, was aus dem gewöhnlichen Rahmen der Mann-Frau-Begegnung fällt.“
„Unsinn.“
„Wie bitte, Bürgerin Kai?“
„Ich habe es seit Kojote mit elf probiert“, antwortete sie mürrisch, „in allen Schattierungen, Größen und Kombinationen. Alle Sorten. Alle waren sehr geschickt und charmant.“
Er hatte den Kopf auf die Seite gelegt und sie fünf Minuten lang betrachtet, während sie seinen Blicken nicht auswich und sich nicht einschüchtern ließ.
Schließlich hatte er genickt, als sei nun der Groschen gefallen, und ihr gut zugeredet.
„Sie leiden nicht unter dem Romeo-Julia-Syndrom“, sagte er, „falls Sie sich deswegen Sorgen machen sollten.“
„Das Licht habe Geduld“, seufzte sie, „dieser Gedanke ist mir überhaupt nicht gekommen! Ich habe durchaus einen klaren Kopf, zum Glück.“
„Das meine ich ja“, stimmte er zu.
„Wieso kann ich mir Kojote Jones dann nicht aus diesem klaren Kopf schlagen?“
Der Arzt lächelte sie an.
„Meine liebe Bürgerin Kai“, erkundigte er sich behäbig, „haben Sie sich noch nicht mit der Vorstellung befaßt, daß es einfach daran liegen könnte, daß Sie eben glücklicher sind, wenn Kojote Jones in Ihrer Nähe ist?“
„Das wäre nicht das Romeo-Julia-Syndrom?“
„Gewiß nicht. Beim R.-J. stehen Sie unter dem krankhaften und seltenen Zwang, daß sie nur mit dem Bürger X zusammen überhaupt weiterleben können. Das ist eine Krankheit, Bürgerin, ein Zustand, der stationäre Behandlung in einer Klinik erforderlich macht. Sie empfinden nur eine normale menschliche Zuneigung. Sie mögen den Mann, Sie haben mit ihm gut zusammengearbeitet, Sie genießen seine Gesellschaft und gehen gern mit ihm ins Bett, und jetzt, wo er weg ist, vermissen Sie ihn. Warum sollten Sie sich deswegen sorgen?“
„Weil ich solche Gefühle nicht kenne, deshalb! Er war immer viel unterwegs, und ich habe ihn selten öfter als einmal im Jahr gesehen – deshalb ist es mir so unbegreiflich, daß ich ihm jetzt plötzlich nachweine.“
Der Arzt hatte sich zu ihr hingeneigt und ermunternd die Hand getätschelt.
„Ja, aber diesmal ist er für immer weggefahren“, erklärte er. „Psychologisch stehen Sie also vor einer veränderten Situation, einer ganz neuen Sachlage.“
Ein bißchen benommen war sie eine Weile sitzen geblieben, weil sie so dumm gewesen war, die Zusammenhänge nicht selbst zu durchschauen, und weil es ihr nun deutlich gesagt worden war.
Schließlich hatte sie sich erhoben und ihm, noch immer verwirrt, gedankt; dann hatte sie ein Taxi-Flieger ins Büro zurückgenommen. Natürlich, daran lag es, wie dumm von ihr, es nicht selbst erkannt zu haben – es lag an der Tatsache, daß Kojote ein für allemal aus ihrem Leben verschwunden war! Sicher bestand die abwegige Chance, ihm irgendwo zufällig zu begegnen, in ein paar Jahren vielleicht, aber die Wahrscheinlichkeit war gering. Sie hoffte, er war glücklich dort, wo er sich jetzt befand.
Als der Fisch sie vom Mars aus angerufen und ihr Kojotes Absichten mitgeteilt hatte, war sie überglücklich gewesen.
„Wissen Sie, was dieser Vollidiot gemacht hat, Miß Kai?“ hatte er sie gefragt.
„Was? Sie erschossen, wie ich hoffe.“
„Nichts so Schlichtes.“
„Na, was denn?“
„Er ist Maklunite geworden, Miß Kai. Man stelle sich vor!“
„Das finde ich sehr gescheit.“
„Gescheit? Wieso?“
„Dann müssen Sie seine Kündigung doch noch akzeptieren!“
Der Fisch hatte sehr lange und mißbilligend geschwiegen. „Sie wußten, daß er kündigen wollte?“ erkundigte er sich schließlich.
„Klar. Er hat mir eine Kopie geschickt.“
„Und unsere Ablehnung – haben Sie die etwa auch gesehen?“
„Natürlich.“
„Das war äußerst inkorrekt“, murmelte der Fisch. „So geht das doch nicht.“
„Sie können einen Makluniten nicht für Agentenaufgaben verwenden“, hatte sie lachend gesagt, „weil das
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