Der Rabbi schoss am Donnerstag
dem jungen Mann lediglich einen Job besorgt.»
30
Als Herb Mandell nach dem Dinner von seinem Verdauungsspaziergang zum Drugstore zurückkam, wo er die Sonntagszeitungen gekauft hatte, fand er Henry Maltzman und Molly auf dem Sofa im Wohnzimmer, die Köpfe eng zusammengesteckt, über einem Blatt Papier, das sie auf dem Teetisch vor sich ausgebreitet hatten. Sein Erscheinen erschreckte sie ein wenig, und sie fuhren auseinander.
«Oh, hallo, Herb!» Maltzman winkte ihm lässig zu. «Ich dachte, da dies Ihre erste Vorstandssitzung ist, könnten wir gemeinsam hinfahren, in Ihrem Wagen oder meinem, und unterwegs könnte ich Ihnen dann alles erklären.» Er deutete auf das Blatt Papier. «Ich habe gerade mit Molly die Liste durchgesehen. Wir haben fünf sichere Stimmen, drei wahrscheinliche und zwei bis drei eventuelle.»
«Ich glaube, Mrs. Melnick zählt auch zu den wahrscheinlichen», sagte Molly. «Und Mrs. Kaufman können Sie praktisch als sicher eintragen.»
«Das ist immer noch zu riskant», erwiderte Maltzman. «Ich möchte eine klare Entscheidung ohne Diskussion. Das Beste ist, wir vertagen die Entscheidung für eine Woche. Dann haben wir Zeit, die Wahrscheinlichen zu bearbeiten …»
«Ich spreche mit Anne Kaufman», erbot sich Molly. «Die kann ich ganz bestimmt auf unsere Seite bringen.»
«Wunderbar. Und ich kümmere mich um Joe Krasker und Harvey Gorin. Wenn wir sie alle drei kriegen, haben wir acht und sind aus dem Schneider.» Er war aufgestanden. Jetzt ergriff er Herb Mandells Arm und sagte: «Also Herb, Sie werden Folgendes tun …»
Maltzman fuhr – und redete. Herb hätte gern seiner eigenen Meinung hinsichtlich dieses Problems mit dem Rabbi Ausdruck verliehen, doch jedes Mal, wenn er dazu ansetzte, sagte Maltzman: «Hören Sie zu!» Sein Ton war nicht direkt gebieterisch, er war sogar eher freundlich, aber Herb wurde unruhig; er hatte das Gefühl, wie ein Kind behandelt zu werden.
Sobald sie jedoch die Synagoge erreichten, änderte Maltzman sein Verhalten. Einen Arm um Herbs Schultern gelegt, führte er ihn zu den anderen Mitgliedern, die im Korridor des Souterrains standen, und stellte ihn jenen, die ihn nicht kannten, mit der jovialen Bemerkung vor: «Herb ist der kommende Mann, der wird diesem Vorstand noch mal Substanz verleihen.»
Die Gruppe ging an den Klassenzimmern der Religionsschule vorbei zum Vorstandszimmer. Es war nur ein recht kleiner Raum. Genau wie die Klassenzimmer hatte er beigefarben verputzte Wände und eine niedrige Decke. An einer Seite befand sich in Erdbodenhöhe eine Reihe kleiner, oben aufgehängter Fenster, die nach innen geöffnet werden konnten. Über den Fenstern verliefen die mit Asbest verkleideten Heizungsrohre. Der Raum unterschied sich von den Klassenzimmern nur insofern, als er statt Pulten einen langen, von kleinen Stühlen umgebenen Mahagonitisch aufwies, der fast den ganzen Platz einnahm – bis auf eine kleine Ecke nahe der Tür, wo auf einer Holzstaffelei eine Schultafel stand.
Sie gingen zu ihren Plätzen rund um den Tisch, während Maltzman neben der Tafel stehen blieb. Während sie auf Maltzmans Eintreffen warteten, hatten sie sich über den Mord unterhalten, und nahmen nun, als sie saßen, dieses Gespräch wieder auf.
«Es muss der Junge gewesen sein», sagte Harvey Gorin. Er zählte die Beweispunkte an den Fingern ab. «Er war der letzte im Haus. Er ist davongelaufen …»
«Aber er ist wiedergekommen.»
«Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück.»
«Ist er zurückgekommen, oder hat man ihn zurückgebracht? Das möchte ich wissen.»
Maltzman klopfte auf den Tisch. «Ein bisschen Ruhe, bitte, damit wir anfangen können. Wer Ellsworth Jordon umgebracht hat, das rauszufinden, ist Sache der Polizei …»
Doris Melnick, ehemals Lehrerin für Staatsbürgerkunde an der High School, sagte vorwurfsvoll: «Ein Mord geht jeden Bürger an, Henry.»
«Ach, wirklich? Na, mich könnt ihr aber dabei streichen. Dieser Jordon war der schärfste Antisemit hier in der Stadt, und der, der ihn umgebracht hat, verdient einen Orden.»
«Woher wissen Sie das, Henry?»
«Kannten Sie ihn, Henry?»
«Haben Sie näher mit ihm zu tun gehabt, Henry?»
«Es stimmt», bestätigte Mrs. Melnick. «Ich glaube, es ist besser, wenn Sie das nicht so rumposaunen.»
«Und warum nicht?», fragte Maltzman.
«Weil das in der Stadt Stimmung gegen uns alle machen könnte und die Polizei möglicherweise auf den Gedanken bringt, uns zu befragen.»
«Soll sie doch. Wir haben
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