Der Rabbi schoss am Donnerstag
das doch, als dieser Reporter mich reinzulegen versuchte?»
«Vor zwei Jahren. Im Fall Blatz», kam die Antwort aus dem Vorzimmer. Als Lanigan sich umdrehte, sah er, dass die Tür, die er beim Eintreten geschlossen hatte, wieder aufgesprungen war und angelehnt stand.
«Viele Kriminalfälle kriege ich nicht», berichtete Sawyer, «aber einige schon, und da habe ich gelernt, vorsichtig zu sein.» Er lächelte abermals. «Dazu ist ja ein Anwalt da, nicht wahr? Dass man jemanden auf seiner Seite hat, der es versteht, vorsichtig zu sein.»
«Ich glaube schon. Waren Sie Ellsworth Jordons Anwalt?»
«Tja, also – hin und wieder.» Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und schloss die Tür, indem er sie mit der Schulter zudrückte und gleichzeitig den Knauf drehte. Diesmal blieb sie geschlossen, und er kehrte an seinen Platz hinter dem Schreibtisch zurück. «Ich habe mich immer wieder bei der Hausverwaltung über die Tür beschwert, aber Sie wissen ja, wie’s mit dem Service heutzutage aussieht.»
Lanigan lächelte mitfühlend.
«Es ist zwar nicht schlimm, wenn Emily hört, was wir besprechen. Sie weiß über alles Bescheid, was in diesem Büro vorgeht. Aber es könnte ja jemand kommen, während wir uns hier unterhalten, ein anderer Mandant …»
«Selbstverständlich.»
«Ich war am Wochenende verreist – nur ein kleiner Ausflug –, daher hörte ich das mit Jordon erst gestern Abend, als die Meldung über diesen William Green kam. Ich arbeite, wann irgend möglich, gern mit der Polizei zusammen. Das muss sein, wissen Sie, denn als Anwalt gehöre ich zum Justizsystem. Aber es hatte ja keinen Sinn, gestern Abend nach elf noch bei Ihnen anzurufen. Ich fand, heute Morgen sei früh genug.»
«Machen Sie sich keine Gedanken», beruhigte ihn Lanigan.
«Nun gut. Jetzt zum Geschäft.» Energisch rieb er sich die Hände. «Vor ein paar Monaten kam Ellsworth Jordon zu mir und bat mich, ein Testament für ihn aufzusetzen. Nun war Ellsworth zwar ziemlich genau, was Geld anging, und hätte niemals einen Penny genommen, der ihm nicht gehörte, aber er hatte dafür auch ein stark ausgeprägtes Gefühl für meum und tuum . Und in diesem Sinne war tuum die Regierung, die Bundes- und die Staatsregierung.» Wieder vertiefte sich sein kleines Lächeln und verriet seine Belustigung. «Er war über die Erbschaftssteuer empört. Er sah nicht ein, wieso er eine Erbschaftssteuer bezahlen sollte, wo er doch für das Geld, als er es verdiente, bereits Einkommensteuer bezahlt hatte. Und er wollte, dass ich einen Plan ausarbeite, möglicherweise einen Treuhandfonds, der die Erbschaftssteuer auf ein Minimum reduzierte, ja, falls möglich, sogar gänzlich eliminierte. Ich schlug vor, er solle doch lieber zu einem Steueranwalt gehen, aber er bestand darauf, dass ich diesen Auftrag übernahm, selbst wenn ich dabei einen Spezialisten zu Rate ziehen müsste. Also machte ich mich auf dieser Basis an die Arbeit. Und es war gar nicht so einfach, wissen Sie. Ich machte ihm verschiedene Vorschläge, aber immer hatte er Einwände dagegen. Schließlich aber hatte ich alles hineingearbeitet, was er wünschte oder wenigstens widerstrebend hinnahm.»
«Und wer war der Begünstigte?»
«Tja, also, deswegen habe ich Sie ja angerufen. Es war dieser junge Mann, William Green, Ellsworths unehelicher Sohn. Er wollte ihm alles hinterlassen.»
Lanigan nickte langsam. «Das erklärt, warum Jordon ihn zu sich eingeladen hatte. Nur, als ich ihn gestern Abend danach fragte, sagte er, Jordon sei nur ein alter Freund der Familie.»
«Sehr wohl möglich, dass der junge Mann es nicht besser weiß», entgegnete Sawyer. «Jordon war sicher, dass er keine Ahnung hatte.»
«Und Billy erbt sein ganzes Vermögen?»
Sawyer schüttelte den Kopf. Sein Lächeln wurde so breit, dass es fast von einem Ohr zum anderen reichte. Er stieß ein Gurgeln aus, das Lanigan als Lachen interpretierte. «Nein, keinen Penny kriegt er. Überhaupt nicht. Wahrscheinlich geht alles an den Staat.»
«Aber warum denn? Ist irgendwas nicht in Ordnung mit dem Testament?», fragte Lanigan verwirrt.
«Es gibt kein Testament. Es gibt lediglich meinen Entwurf für ein Testament. Ich habe ihn Jordon vor wenigen Tagen geschickt, und er schickte ihn mit ein paar bleistiftgeschriebenen Veränderungsvorschlägen an mich zurück. Freitagmorgen kam er hier an. Und ist nicht mehr unterschrieben worden.» Diesmal lachte er laut heraus. «Der Mensch denkt, Gott lenkt … Sie wissen schon.»
Lanigan
Weitere Kostenlose Bücher